<< zurück | Home | JWD-Nachrichten | Teilen |

07.01.2015 00:00
Chaos auf den Märkten –
Fatales Schweigen in der Politik

Die internationalen Märkte sind zu Beginn des Jahres in heller Aufregung, und viele Kommentatoren verlieren den Überblick und manche sogar den Kopf. In der Tat, es ist außergewöhnlich, was derzeit passiert. Die Preise für global gehandelte Rohstoffe sinken zum Teil in unglaublichem Tempo. [Quelle: flassbeck-economics.de] JWD

Insbesondere für Öl und Ölprodukte geht es steil bergab (dazu kommt noch einmal ein gesondertes Stück diese Woche). Aber auch andere Rohstoffpreise sind unter Druck. An den Aktienmärkten vollzieht sich ein wildes Auf und Ab und die Preise für festverzinsliche Wertpapiere verzeichnen historische Höchststände (das sind die Preise vorwiegend für Staatsschuldpapiere, was auch bedeutet, dass deren Zinsen historisch niedrig sind). Der deutsche Staat kann inzwischen Geld für einige Jahre aufnehmen und bekommt von den Anlegern dafür eine Prämie, statt selbst Zinsen zahlen zu müssen. Die Notenbanken drucken darüber hinaus – anscheinend ohne jede Kontrolle – Geld und die Preise beginnen auf breiter Front zu fallen. Auch die Wechselkurse der wichtigsten Währungen fahren Achterbahn, wobei vor allem der Euro massiv zur Schwäche neigt; er ist seit dem Frühjahr 2014 von 1,40 (US-Dollar für einen Euro) auf unter 1,20 gefallen.

Das alles verunsichert die Bürger, und so schießen Konspirationstheorien und wilde Spekulationen darüber ins Kraut, wer sich das wohl alles ausgedacht haben könnte, um die Weltherrschaft an sich zu reißen oder wenigstens seinen Reichtum zu mehren und für immer zu sichern. Die meisten dieser Mutmaßungen schießen allerdings weit über‘s Ziel hinaus. Die Weltkonspiration gibt es so wenig wie die Allmacht eines Landes, das im Hintergrund die Fäden bei all dem zieht. [*]

Was wir erleben, ist in der Tat eine neue Epoche der wirtschaftlichen Entwicklung, und wir erleben ein nur historisch zu nennendes Versagen der Wirtschaftspolitik. Aber dennoch bleiben die meisten Phänomene gut erklär- und verstehbar, wenn man eine angemessene ökonomische Theorie zu Grunde legt. Das Problem ist nur, dass diese Theorie nicht weit verbreitet ist und deswegen ein allgemeines Herumrätseln auch der sogenannten Fachleute die Regel ist. Das aber verwirrt den Bürger und alle kritischen Beobachter über alle Maßen, denn wenn die schon nicht mehr wissen, was Sache ist, dann kann es ja nur noch die Erklärung geben, dass irgendwo die Fäden in diesem Spiel gezogen werden, das keiner außer den Verschwörern verstehen kann.

So wird zum Beispiel derzeit die Tatsache, dass der Ölpreis fällt und der Dollar zugleich stark ist, als Beleg dafür genommen, dass die USA mit dem Dollar als „Reservewährung“ und der für den internationalen Ölhandel gebräuchlichen Währung ein Drohpotential – zum Beispiel gegenüber Russland – aufbauen können, das sie ohne den Dollar als Schlüsselwährung nicht hätten. Dass der Dollar die Ölwährung ist, hat aber vor allem historische Gründe und bringt für die USA keinen großen Vorteil, besonders in einer Zeit, wo sie Nettoölexporteur sind. Dass die USA systematisch am Devisenmarkt oder am Ölmarkt intervenieren, ist durch nichts nachzuweisen. Das aber müssten sie in großem (und nicht zu verheimlichenden) Maße tun, wenn sie solche riesigen Märkte in ihrem Sinne bewegen wollten.

Es kann andererseits aber kein Zweifel daran bestehen, dass die Stärke des US-Dollar auch den USA schadet, ebenso wie der niedrige Ölpreis viele Energie-Produzenten in den USA wegen hoher Produktionskosten (beim Fracking) in ihrem Lebensnerv trifft. Bezüglich des starken Dollar und seinen negativen Wirkungen auf den amerikanischen Handel (alles, was bei TTIP verhandelt wird, ist Makulatur, wenn der Euro so schwach bleibt, wie ich hier versucht habe zu zeigen) ist die amerikanische Regierung vermutlich nur so ruhig, weil sie die fatale Schwäche Europas sieht und den Abschluss des TTIP, den sie aus strategischen Gründen (als Bollwerk gegen Chinas Macht) anzustreben scheint, nicht gefährden will.

Ohne Zweifel haben die USA einen Vorteil davon, dass ihre Währung weltweit akzeptiert wird und sie sich nur in ihrer eigenen Währung verschulden. Aber auch Europa verschuldet sich nur in Euros und nicht in US-Dollars, weil bisher weltweit viele Anleger bereit waren, solche Euro-Anleihen zu kaufen. Der Euro hätte selbstverständlich dem US-Dollar als weltweit anerkannte Währung (auch im Ölgeschäft) Paroli bieten können. Dass es nicht dazu gekommen ist, ist aber nicht die Folge einer Verschwörung der Amerikaner, sondern ist die Schuld der dummen und kurzsichtigen (und merkantilistischen) deutschen Politik.

Viel von der allgemeinen Verwirrung erklärt sich dadurch, dass wir in Zeiten der Deflation leben, die nur wenig verstanden wird. Und sie wird so wenig verstanden, wir haben das in den vergangenen zwei Jahren hunderte Male gesagt, weil die Phalanx der Experten nicht zugeben will, dass Inflation und Deflation keine monetären Phänomene sind, sondern in der Regel durch Über- und Unterschießen der Löhne über die Produktivität entstehen. Das Ignorieren dieses Zusammenhangs ist sozusagen der Kern der Gemeinsamkeit bei den Experten und in der Politik, der so leicht den Eindruck eines abgestimmten Verhaltens erzeugt. Genau aus diesem Grunde ist die Politik auch vollkommen unfähig, den Menschen zu erklären, was da vor sich geht, und deswegen entstehen so viele Verschwörungstheorien. Die wenigen Politiker, die halbwegs durchblicken könnten, was geschieht (in der deutschen Regierung gibt es davon keinen), trauen sich nicht, gegen das Votum des ökonomischen Mainstream eigene Deutungen zu versuchen.

Link zum Originaltext bei ' flassbeck-economics.de ' ..hier


*) Anmerkung: Die Aussage: "Die Weltkonspiration gibt es nicht.." halte für eine reichlich blauäugige Einschätzung der wirtschaftlichen Machtstrukturen des globalisierten Finanzkapitals in der Hand weniger (..hier). Wenn 80% des Welthandels über das Schattenbanksystem abgewickelt wird, dann liegt es geradezu auf der Hand, dass geheime Transaktionen problemlos ausgeführt werden können und ausgeführt werden. Die Frage der Weltherrschaft dürfte längst entschieden sein. Deshalb spielen auch die einzelnen Länder bei der derzeitigen Konstellation eine untergeordnete Rolle und sind Spielbälle der Geldmächtigen.

 
<< zurück | Home |