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10.10.2018  09:00
Internationale Beziehungen:
die Ruhe vor welchem Sturm?

Alle internationalen Themen hängen von den amerikanischen Parlaments-Wahlen ab. Die Anhänger der alten Weltordnung setzen auf eine Änderung der Mehrheit im Kongress und eine schnelle Absetzung des Präsidenten Trump. Wenn der Hausherr des Weißen Hauses dort bleibt, müssen die Protagonisten des Syrien-Krieges ihre Niederlage eingestehen und andere Schlachtfelder finden. Aber wenn Donald Trump die Wahl verliert, wird der Konflikt in Syrien sofort vom Vereinigten Königreich wieder weitergeführt werden. [Quelle: voltairenet.org] JWD

 Von Thierry Meyssan  |  Voltaire Netzwerk | Damaskus (Syrien) | 9. Oktober 2018


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Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
 

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ie aktuelle Situation – von der Ankündigung der russischen Reaktion auf die Zerstörung seiner Iljuschin-20 Maschine bis zu den amerikanischen Wahlen vom 6. November - ist ungewiss. Alle Protagonisten des Krieges in Syrien warten darauf zu erfahren, ob das Weiße Haus seine Politik des Bruchs mit der aktuellen internationalen Ordnung fortsetzen kann oder ob der Kongress an die Opposition fällt und sofort ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump einleiten wird.

Der Ursprung des Krieges

Es ist jetzt klar, dass das ursprüngliche Projekt der Vereinigten Staaten, von Großbritannien, Israel, Saudi-Arabien und Katar nicht umgesetzt werden wird. Auch nicht die Ziele von Frankreich und der Türkei, zwei Mächte, die viel später in den Krieg gegen Syrien gezogen sind.

Wir müssen nicht daran erinnern, wie wir den Beginn der Ereignisse aufgenommen haben, sondern daran, was wir seit dieser Zeit zu diesem Thema aufgedeckt haben. Obwohl man die Demonstrationen von Daraa als "spontane Revolte" gegen die "Unterdrückung einer Diktatur" präsentierte, wissen wir heute, dass sie sorgfältig vorbereitet worden waren [1].

Darüber hinaus müssen wir aufhören zu glauben, dass alle Mitglieder einer Koalition, die zusammenarbeiten um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, die gleiche Strategie teilen. Welcher auch immer der Einfluss des einen oder des anderen sei, besitzt jeder Staat seine eigene Geschichte, seine eigenen Interessen und seine eigenen Kriegsziele.

Die Vereinigten Staaten verfolgten Admiral Arthur Cebrowskis Strategie der Zerstörung der staatlichen Strukturen des Erweiterten Nahen Osten [2]. Sie stützten sich auf das Vereinigte Königreich, das seinerseits die Strategie von Tony Blair umsetzte, um die Muslim-Bruderschaft in der Region an die Macht zu bringen [3]. Und auf Israel, das die Strategie der regionalen Herrschaft von Oded Yinon [4] und David Wurmser [5] übernahm.

Die Waffen wurden im Voraus von Saudi Arabien in der Omar-Moschee eingelagert [6] und Katar hat die Geschichte von den Kindern erfunden, denen die Nägel ausgerissen wurden.

Damals versuchte Saudi Arabien nicht, Syrien eine neue Politik aufzudrängen, noch seine Regierung zu stürzen. Riad wollte nur verhindern, dass ein Nicht-Sunnit syrischer Präsident ist. Durch eine seltsame historische Entwicklung stellen sich die Wahhabiten, die vor zwei Jahrhunderten sowohl die Sunniten als auch die Schiiten als Ketzer betrachteten und dazu aufriefen alle zu vernichten, wenn sie nicht Reue zeigten, jetzt als Verteidiger der Sunniten und Mörder der Schiiten dar.

Was den kleinen Emir von Katar betrifft, übte er seine Vergeltung nach der Unterbrechung seines Gas-Pipeline-Projekts in Syrien [7].

Frankreich, das gemäß dem Lancaster-House-Abkommen an der Verschwörung hätte teilnehmen sollen, war wegen seiner unerwarteten Initiativen in Libyen davon fern gehalten worden. Der französische Außenminister, Alain Juppé, wollte Frankreich in die Arme der Verschwörer treiben, aber der Botschafter in Damaskus, Éric Chevallier, der die Verdrehung der Tatsachen vor Ort feststellte, bremste mit aller Kraft [8].

Als Frankreich wieder in den Kreis der Verschwörer aufgenommen wurde, verfolgte es sein Ziel von 1915 weiter, nämlich die Kolonisierung von Syrien, dabei den Sykes-Picot-Sazonow Vereinbarungen folgend. Sowie das französische Mandat in Syrien nur als Übergangsregelung galt, im Gegensatz zur nachhaltigen Kolonisierung von Algerien [9], wird es im 21. Jahrhundert gegenüber der Kontrolle der Sahelzone als zweitrangig betrachtet. Darüber hinaus versuchte Paris seine alten Projekte zu realisieren, und drängte zur Schaffung einer kurdischen Heimat, nach dem Vorbild dessen, was die Briten im Jahre 1917 mit den Juden in Palästina gemacht haben. Dazu verbündete sich Paris mit der Türkei [10], die im Namen des "nationalen Eids" von Atatürk [11] in den Norden des Landes eindringt, um dort einen Staat zu schaffen, um dorthin die türkischen Kurden zu deportieren.

Wenn die Kriegsziele der ersten vier Angreifer untereinander auch kompatibel sind, sind die letzten beiden es mit den anderen nicht.

Darüber hinaus sind Frankreich, Großbritannien und die Türkei drei ehemalige Kolonialmächte. Sie versuchen alle drei, ihre Macht auf dem gleichen Thron durchzusetzen. Der Krieg gegen Syrien hat daher ihre vergangenen Rivalitäten reaktiviert.

Die Daesch-Episode im Krieg gegen
Syrien und den Irak

Ende 2013 überarbeitete das Pentagon seine Pläne im Rahmen der Cebrowski Strategie. Es änderte seine ersten, wie von Ralph Peters veröffentlichten Pläne [12], indem es sie durch den Plan von Robin Wright ersetzte, der ein "Sunnistan" auf beiden Seiten der Syrien/ Irak Grenze plante [13].

Jedoch blockierte im September 2015 die Entsendung der russischen Armee nach Syrien die Schaffung dieses „Sunnistans“ durch Daesch und ruinierte die Projekte der sechs wichtigsten Kriegs-Partner.

Die drei Kriegsjahre, die folgten, waren das Ergebnis einer weiteren Zielsetzung: auf der einen Seite, einen neuen Staat beiderseits der Irak/Syrien Grenze im Rahmen der Cebrowski Strategie zu erstellen und auf der anderen Seite Daesch zu verwenden, um die Seidenstraße abzuschneiden, deren Wiederbelebung das China von Xi Jinping wünschte, und um so die kontinentale Vorherrschaft der "westlichen" Partei zu sichern.

Der syrisch-russische Sieg und
die Wende der Vereinigten Staaten

Die Affäre der Zerstörung der Iljuschin-20 am 17. September 2018 hat Russland die Gelegenheit geboten, diesen langen Krieg zu beenden und sich mit dem Weißen Haus gegen andere Aggressoren abzustimmen. Das ist in kleinerem Maßstab die Neuauflage der Russland-US Reaktion auf die Suez-Krise von 1956 [14].

Moskau hat gerade der syrischen arabischen Armee nicht nur die Flugabwehr-Raketen (S - 300) anvertraut, sondern hat auch ein gesamtes integriertes Überwachungssystem entsandt. Sobald es funktioniert, und die syrischen Offiziere in seiner Handhabung geschult sein werden, d. h. spätestens innerhalb von drei Monaten, wird es für die westlichen Streitkräfte unmöglich sein, das Land ohne die Zustimmung von Damaskus zu überfliegen. [15].

Präsident Trump hatte schon angekündigt, dass er die US-Truppen von Syrien abziehen wolle. Dann war er aber durch den Druck des Pentagon wieder von dieser Entscheidung abgekommen. Er hatte sich daher mit seinen Höheren Stabs-Offizieren geeinigt, den Druck auf Damaskus beizubehalten, solange die Vereinigten Staaten von den Friedens-Verhandlungen in Sotschi ausgeschlossen wären. Die Bereitstellung der russischen Waffen – der das Weiße Haus wahrscheinlich sein Einverständnis gegeben hatte - bietet Präsident Trump die Möglichkeit, das Pentagon zurück zu drängen. Es sollte daher seine Truppen abziehen, aber seine Söldner (in diesem Fall die Kurden und Araber der demokratischen Kräfte) beibehalten [16].

Der syrische Außenminister, Walid Al-Muallem, forderte auf dem Podium der Generalversammlung der Vereinten Nationen den unverzüglichen und bedingungslosen Abzug der ausländischen US-, französischen und türkischen Besatzungstruppen [17].

Wenn die Vereinigten Staaten abziehen, können die Franzosen und Türken nicht bleiben. Die Israelis können auch nicht mehr das Land überfliegen und bombardieren. Die Briten haben sich bereits zurückgezogen.

Tel-Aviv, Paris und Ankara hoffen jedoch immer noch, dass Präsident Trump die Parlamentswahlen am 6. November verlieren wird und er abgesetzt wird. Sie erwarten daher die schicksalhafte Abstimmung, bevor sie sich entscheiden.

Unter der Annahme, dass Donald Trump die mid-term Kongress-Wahlen gewinnt, wird sich eine andere Frage stellen. Wenn der Westen seinen Kampf in Syrien aufgibt, wo wird er dann seinen endlosen Krieg weiterführen? Es ist in der Tat eine Realität, über die sich alle Experten einig sind: die westliche herrschende Klasse ist so selbstgefällig und rachsüchtig, dass sie eine Rückstufung hinter die neuen asiatischen Mächte nicht akzeptieren kann.

Die Weisheit geböte es, dass die Angreifer sich nach einem verlorenen Krieg zurückziehen. Aber die intellektuelle Haltung des Westens hält ihn davon ab. Der Krieg wird hier nicht enden, bevor sie nicht einen neuen Knochen zum Zernagen gefunden haben werden.

Nur das Vereinigte Königreich hat sich seine Antwort einfallen lassen. Es ist jetzt klar, dass London, wenn es auch seinen diplomatischen Druck auf Syrien durch die kleine Gruppe (Small Group) weiter ausübt, seine Aufmerksamkeit bereits auf die Wiederaufnahme des „großen Spiels“ gerichtet hat, das die Krone mit dem Zaren während des XIX Jahrhunderts spielte. Nachdem London den Fall Skripal nach dem Modell des "Zinoviev Telegramms" erfunden hatte [18], hat es soeben die russischen ausländischen Geheimdienste, bei ihrem Versuch herauszufinden, was innerhalb der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPWC) gegen sie vorging, auf frischer Tat ertappt.

Diese geopolitische Doktrin ist unabhängig von den Ereignissen, die London als Vorwand dienen. Das "große Spiel" war die Strategie des britischen Empire. Seine Wiederaufnahme durch das heutige Vereinigte Königreich ist die Folge des Brexit und der Politik des "Global Britain". Wie im 19. Jahrhundert wird diese anti-russische Stellung am Ende eine bittere Rivalität zwischen London und Paris schaffen. Umgekehrt werden alle diese Projektionen beendet werden, wenn Theresa May scheitert, wenn der Brexit sich nicht verwirklichen lässt und das Vereinigte Königreich in der Europäischen Union bleibt.

Wenn jetzt Frankreich plant, den Nahen Osten zu verlassen, um sich auf die Sahel-Zone zu konzentrieren, ist die Position der Vereinigten Staaten viel problematischer. Seit dem 11. September 2001 genießt das Pentagon eine gewisse Autonomie. Die zehn Kampf-Kommandanten der Streitkräfte können keinen Befehl von dem Präsidenten des gemeinsamen Militärstabes erhalten, sondern nur vom US-Verteidigungsminister. Im Laufe der Zeit wurden sie zu echten "Vizekönigen" des "American Empire"; eine Funktion, die sie nicht unter Präsident Trump verlieren wollen. Einige von ihnen, wie der Kommandant für Südamerika (SouthCom) [19], wollen die Strategie des Admiral Cebrowski trotz der Ermahnungen des Weißen Hauses fortsetzen.

Es gibt also viel Ungewissheit. Der einzige Schritt vorwärts betrifft Daesch: drei Jahre lang gab der Westen vor, die terroristische Organisation, trotz der Bereitstellung von Waffen, zu bekämpfen. Heute hat Donald Trump befohlen, der Schaffung eines offensichtlichen terroristischen Staates, dem Kalifat, ein Ende zu setzen, und die syrischen und russischen Armeen haben die Dschihadisten zurückgeworfen. Der Westen will nicht, dass seine Freunde, die von jetzt ab als "Terroristen" bezeichneten "moderaten Rebellen", wieder nach Hause kommen. Daher wünschen sie, ob sie es zugeben oder nicht, ihren Tod in Syrien.

Es sind die mid-term Wahlen in den USA, die sagen werden, ob der Krieg in Syrien weitergeht, oder ob er sich auf ein anderes Schlachtfeld verlegt.

Autor: Thierry Meyssan  | Übersetzung: Horst Frohlich  |  Korrekturlesen : Werner Leuthäusser
 

Thierry Meyssan: Politischer Berater, Präsident und Gründer des Réseau Voltaire und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen über ausländische Politik in der arabischen, latein-amerikanischen und russischen Presse. Letztes, auf Französisch veröffentlichte Werk: Sous nos yeux - Du 11-Septembre à Donald Trump.

Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative Commons (CC BY-NC-ND)
 

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