08.06.2016 00:00
„Da ist mir wirklich zum Kotzen…“
Das politische Deutschland drängt zur vermeintlichen Mitte, während in der
Öffentlichkeit Opposition zunehmend nur noch vom rechten Rand wahrgenommen wird.
Fortschrittliche Analyse und Kritik sollen im Keim erstickt oder gar zum
Schweigen gebracht werden. Damit dies nicht gelingt, veröffentlichen die
NachDenkSeiten die wichtige Rede von Sahra Wagenknecht auf dem soeben beendeten
Parteitag der Linken in Magdeburg. Die Rede, die dank der Tortenattacke auf die
Rednerin nicht ansatzweise die Beachtung fand, die sie verdient. [Quelle:
nds.de] JWD
Quelle: DIE LINKE | veröffentlicht
29.05.2016
Rede von Sahra Wagenknecht auf
dem Parteitag der Linken
in Magdeburg
Rede von Sahra Wagenknecht am 29. Mai 2016 auf
dem Parteitag der Linken
in Magdeburg:
Liebe Genossinnen, liebe Genossen,
Quelle: nds.de (verlinkt)
ich möchte eines vorwegsagen, ihr habt das ja gestern alle verfolgt: Ich habe so
viele Solidaritätsbekundungen danach bekommen, hier vom Pult, per SMS, auch ganz
persönlich. Ich wollte einfach nur Danke sagen, das hat unglaublich gutgetan.
Vielen herzlichen Dank.
Ich glaube, zu der Aktion ist alles gesagt, dazu muss ich nichts mehr sagen. Wer
allen Ernstes ausgerechnet bei der LINKEN, die sich als einzige Partei nicht
daran beteiligt und nichts dazu beigetragen hat, dass das Asylrecht inzwischen
in Europa und in Deutschland mehr oder weniger abgeschafft wurde, sondern die
konsequent dagegen gekämpft hat, also wer ausgerechnet diese Partei oder
einzelne Personen verdächtigt, ein Ort des Rassismus zu sein, der stellt sich
wirklich ein politisches Armutszeugnis aus. Ich finde das ungeheuerlich und
viel, viel schlimmer als jede Torte und jedes Zerwürfnis.
Liebe Genossinnen und Genossen, dies ist ja jetzt, genauso wie bei Dietmar
Bartsch meine erste Rede als Fraktionsvorsitzende. Wir beide haben im Herbst
letzten Jahres den Fraktionsvorsitz übernommen. Dietmar hat schon sehr viel zu
der inhaltlichen Arbeit der Fraktion gesagt, das will ich nicht wiederholen. Ich
möchte nur eins noch sagen: Wir sind ja damals, als wir in diese Funktion
gewählt wurden, wirklich mit sehr, sehr vielen Unkenrufen begleitet worden. Da
wurde der ganz große „Wagenknartsch“ vorhergesagt, da wurde spekuliert, wann das
denn alles gar nicht mehr gutgeht. Und ich muss sagen, ich bin richtig froh und
es macht richtig Spaß, mit Dietmar Bartsch gemeinsam diese Fraktion zu führen
und auch mit unseren Stellvertretern Jan Korte und Heike Hänsel. Weil es nämlich
eine tolle Zusammenarbeit ist, weil es menschlich und politisch funktioniert.
Und das gilt auch für die gesamte Fraktion. Darüber bin ich unglaublich froh,
und wir werden weiter so machen!
Es ist unheimlich wichtig, dass es eine klare Oppositionspolitik im Bundestag
gibt und natürlich auch in dieser Gesellschaft. Wir leben in einer Zeit, in der
wir mit Erschrecken die Geister einer dunklen Vergangenheit wieder auferstehen
sehen. Parteien, die nationalistische Ressentiments schüren, die teilweise offen
üblen Rassismus bedienen, haben europaweit Vorlauf. In Österreich erleben wir,
wie man mit solch einem Programm fast fünfzig Prozent bei der Präsidentenwahl
bekommen kann. Und auch in anderen europäischen Ländern: Ob das der Front
National ist, ob das andere Parteien sind, es geht nach rechts und es geht in
gefährlicher Weise nach rechts. Natürlich haben wir immer gewusst, dass der
Schoß, aus dem das mal gekrochen ist, immer noch fruchtbar ist. Aber ich muss
sagen, dieser offene Hass und die Menschenverachtung, die man vielfach erleben
kann und die sich inzwischen ganz offen und ungeniert in den sozialen Netzwerken
austobt, wenn inzwischen irgendwelche durchgeknallten Pegisten ernsthaft darüber
diskutieren, ob Kindergesichter, die farbig sind, auf deutsche
Schokoladenpackungen gehören oder wenn ich höre, dass ein Herr Gauland allen
Ernstes darüber redet, ob jemand wie Boateng, ob das denn ein guter Nachbar in
Deutschland wäre – da ist mir wirklich zum Kotzen. Natürlich stehen die Gaulands
nicht für die Mehrheit der Menschen in diesem Land und ich bin mir ganz sicher,
die übergroße Mehrheit, würde tausend Mal lieber Boateng als Nachbarn haben als
einen Hassprediger wie Björn Höcke, und das ist gut so und das ist ermutigend,
und dafür stehen wir. Aber gerade da sich das wieder in dieser Weise
artikuliert, ist der Kampf gegen rechten Ungeist und gegen das Erstarken seiner
Protagonisten vielleicht die wichtigste Aufgabe, die wir als LINKE aktuell
haben. Denn das ist wirklich gefährlich und wir müssen es stoppen, als Teil
einer breiten Bewegung, die es ja auch außerhalb der Parlamente gibt und von der
DIE LINKE ein wichtiger Teil ist. Um das stoppen zu können und damit wir dem
etwas entgegensetzen, ist es wichtig, über die Ursachen zu reden. Und da ist
eines klar: Die Ursache der Rechtsentwicklung sind nicht die rechten Parteien,
das ist nicht die AfD, das ist nicht der Front National, das sind nicht die
Halbnazis, die dort Stimmung machen. Das sind alles Produkte der
Rechtsentwicklung. Die Ursache dafür, dass es überhaupt ein gesellschaftliches
Klima geben konnte, dass man solchen Typen wieder zuhört – und das gilt für
Deutschland wie für andere europäische Länder und es gilt auch für die USA mit
ihrem Donald Trump, die haben ja den gleichen Typen dort -, die Ursache dafür
ist, dass wir seit Jahrzehnten eine neoliberale Politik haben, die alles dafür
tut, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu zerstören, die den Sozialstaat
kaputt macht. Das ist doch der Kern einer Politik, die dem Raubtierkapitalismus
freie Bahn geschaffen hat, die den Sozialstaat zerstört hat, die die
gesellschaftliche Ungleichheit vergrößert hat und immer weiter vergrößert. Man
muss sich das einmal vergegenwärtigen, in Deutschland sind die letzten 20 Jahre
Wirtschaftswachstum – und da wurde ja teilweise von einem Wirtschaftsboom
geredet -, diese letzten 20 Jahre Wirtschaftswachstum sind an der Mehrheit der
Bevölkerung nicht nur komplett vorbeigegangen, sondern es ist sogar noch
schlimmer: Der Durchschnittslohn ist heute auf dem Niveau der Jahrtausendwende,
im Niedriglohnsektor werden Hungerlöhne bezahlt, Hartz IV ist ein einziges
Elend, die Rentnerinnen und Renten haben insgesamt 10% ihrer einstigen Kaufkraft
verloren. Die Menschen haben erlebt, wie immer wieder in wechselnden Koalitionen
gegen ihre Interessen Politik gemacht wurde. Das ist das Schlimme und sie sehen
und wissen das auch. Es waren ja eben nicht nur CDU und FDP, es waren genauso
SPD und Grüne. Wir hatten immerhin auch eine Rot-Grüne-Koalition, dann eine
Große, dann Schwarz-Gelb, dann wieder eine Große Koalition. Da muss man sich
doch nicht wundern, dass ein unglaubliches Potential an Frust, an Wut, an
Enttäuschung, aber auch an Ohnmachtsgefühlen da ist, wenn die Menschen immer
wieder erleben, dass sie wählen können, wen sie wollen, es werden Regierungen
gebildet, die die Renten kürzen, die die Löhne verschlechtern, die
Vermögenssteuern ablehnen, die TTIP und CETA weiterbringen. Dieses
Frustpotenzial und das Mantra der Alternativlosigkeit, das Gabriel genauso
predigt wie Merkel, das ist doch der Boden, auf dem dann die AfD als
Scheinalternative mit ihren nationalistischen Ressentiments nur noch ernten
konnte. Das heißt, die Neoliberalen haben da gesät, wo die Rechten ernten.
Diesen Zusammenhang muss man immer wieder betonen, weil man beides bekämpfen
muss, wenn man die Rechtsentwicklung stoppen will.
Früher sind die Menschen davon ausgegangen, dass es ihren Kindern einmal
bessergeht, als es den älteren Generationen gegangen ist. Das ist lange vorbei.
Heute hat sich das genau umgekehrt. Es ist nicht nur die große soziale Spaltung,
die die Rechten befördert, sondern es ist auch das gesellschaftliche Klima bis
hin zur gesellschaftlich herrschenden Ideologie, die ihnen den Boden bereitet
hat. Zum Beispiel der Sozialdarwinismus, die Verachtung für die Schwächeren, die
Verachtung für Arbeitslose, für Menschen, die Hartz IV beziehen, das ist ja
nicht nur rechte Ideologie, das ist neoliberale Ideologie. Ich glaube, die
Meisten von uns erinnern sich noch an die verächtlichen Sprüche, die bei der FDP
mal Mode waren, wenn man über Hartz IV-Beziehende geredet hat. Und das ist ja
nicht nur ein Spezifikum der FDP gewesen, schauen wir uns die Politik der Großen
Koalition an, es ist auf diesem Parteitag schon angesprochen worden: Unter der
Federführung von Frau Nahles wird ein Gesetz gemacht, das wiederum die
Allerschwächsten trifft und ihre Situation weiter verschlechtert. Damit meine
ich das Hartz IV-Gesetz, durch das gerade alleinerziehende Frauen nochmal
doppelt getroffen werden, weil man in Zukunft berechnen möchte, dass sie Abzüge
kriegen, wenn die Kinder bei ihrem Vater sind. Der eigentliche Skandal ist ja,
dass 40% aller Alleinerziehenden Hartz IV-Bezieher sind. Von dieser Regierung
erwarte ich schon gar nicht mehr, dass sie endlich etwas dagegen tun, dass es
diesen Skandal gibt, aber wenn ich dann sehe, dass diese Regierung hingeht und
ausgerechnet bei diesen Frauen noch kürzt, denen es wirklich am schlechtesten
geht, die jeden Monat kämpfen müssen, wie sie mit dem bisschen Geld
zurechtkommen und ihren Kindern irgendwie trotzdem eine schöne Kindheit
ermöglichen. Das ist nicht mal mehr Neoliberalismus, das ist nicht einfach nur
neoliberal, das ist roh und das ist kalt. Und der Aufschrei bleibt weitgehend
aus, wenn wir und einige andere Initiativen ihn nicht formulieren. Das ist die
Verrohung, die diese Gesellschaft nach rechts führt, weil es unglaublich
menschenverachtend ist, dass so eine Politik überhaupt möglich ist. So wird ein
Klima geschaffen, wo es Rechten dann wiederum leicht fällt, die Wut, den Frust,
alles das, was sich da an Schlimmen und auch an Empörung aufgestaut hat, statt
auf die wirklich Verantwortlichen auf die noch Schwächeren abzulenken. So wird
dieses Klima geschaffen.
Quelle: nds.de (verlinkt)
Oder nehmen wir einen anderen Bereich – Unsicherheit. Es gehört zum Kern
neoliberaler Politik, Menschen in unsichere Lebensverhältnisse zu bringen. Das
sind zum Beispiel die ganzen prekären Jobs. Die sind ja nicht nur sozial ein
Problem, weil man bei Dauerbefristungen, Minijobs, Leiharbeit, Werkverträgen und
den Löhnen nicht mehr leben kann. Das ist ein Teil. Der andere Teil ist, dass
man in eine völlige Lebensunsicherheit gebracht wird. Man weiß nie, ob man den
Job in zwei oder drei Jahren noch hat, man kann nichts planen, man weiß nicht,
wie die Zukunft aussieht. Genauso ist es, wenn die soziale Sicherung zerstört
wird. Die Rente war mal dazu da, den Lebensstandard im Alter zu sichern. Heute
sichert sie noch nicht einmal ein Armutsniveau, sie sichert eigentlich gar
nichts mehr, man fällt wirklich in Armut, wenn man sich auf die gesetzliche
Rente verlässt. Das erzeugt doch Angst, wenn man das vor Augen hat. Und ebenso
wurde auch die Arbeitslosenversicherung zerstört. Das wird viel weniger
debattiert, aber das ist doch auch der Fall. Die Arbeitslosenversicherung war
mal dazu da, dass jemand, der arbeitslos wird, von dieser Versicherung
aufgefangen wird. Heute sind es noch nicht mal mehr ein Drittel der
Arbeitslosen, die Gelder aus der Arbeitslosenversicherung bekommen. Die Meisten
fallen direkt in Hartz IV. Das heißt, auch die Arbeitslosenversicherung wurde
komplett zerstört. Diese Zerstörung sozialer Sicherungen gibt es auch bei
Krankheit. Krankheit ist immer schlimm – aber früher war es zumindest nicht ganz
so, dass man damit völlig aus der Bahn gerissen wurde. Die ständige
Lebensunsicherheit, in die Menschen durch diese neoliberalen Veränderungen
gebracht werden, schaffen auch ein Potential, wo dann Menschen bereit sind,
autoritäre Staatsstrukturen, rechtes Law & Order als Alternative zu akzeptieren,
weil sie aus dieser Unsicherheit raus wollen. So wird Potenzial für Rechts
geschaffen, auch auf diesem Feld der Arbeitsmarktreformen und der Zerstörung
sozialer Sicherheiten.
Oder nehmen wir einen dritten Bereich. Jeder weiß, Rechte sind
Demokratieverächter, das ist nichts Neues. Aber dass die Menschen mit Demokratie
nicht mehr viel anfangen können, dass sie enttäuscht sind, dass sie nicht das
Gefühl haben, in einer Demokratie zu leben, wenn ständig gegen die Mehrheit der
Bevölkerung Politik gemacht wird – das ist nicht das Produkt der Rechten, das
ist das Produkt der Politik, die wir erlebt haben, dass gelogen wird und vor den
Wahlen regelmäßig das Gegenteil von dem erzählt wird, was man nach den Wahlen
macht, dass getäuscht wird. Das alles trägt dazu bei, dass Menschen nicht mehr
das Gefühl haben, dass Demokratie etwas Verteidigungswertes ist, weil sie gar
nicht den Eindruck haben, dass es ihnen etwas bringt. Und dazu kommt, dass von
den Neoliberalen auch noch ganz forciert Abkommen vorangetrieben werden, die das
erklärte Ziel haben, Demokratie zu zerstören, nämlich die Politik davon
unabhängig zu machen, welche Regierung eine Bevölkerung wählt. Teilweise durch
europäische Verträge. So hat man es geschafft, dass eine Regierung wie in
Griechenland in ein Korsett gebracht wurde, wo sie am Ende das Gegenteil dessen
machen muss, was sie versprochen hat – obwohl es eine ganz, ganz klare Aussage
der Bevölkerung gab, nämlich „wir wollen keine Sparpolitik mehr“. Das Gleiche
wiederholt sich jetzt in Portugal. Es sind nicht nur die europäischen
Institutionen und Verträge, die man in diese Richtung geschaffen hat, sondern es
sind, sogar noch schlimmer, die Verträge, an denen jetzt gearbeitet wird, TTIP
und CETA. Auch das ist richtige Demokratiezerstörung, weil eine Situation
manifestiert wird, wenn diese Verträge durchkommen, dass die Menschen im Grunde
wählen können, wen sie wollen – weil keine Regierung es sich überhaupt mehr
leisten kann, eine Politik gegen die Kapitalmächtigen und die Profitinteressen
zu machen, weil sie die ganzen Prozesse überhaupt nicht bezahlen kann, die dann
kommen. So wird eine Stimmung aufgebaut, dass Demokratie nichts taugt, und genau
in diese Stimmung hinein kommen dann die Rechten mit ihren Vorschlägen. Da gibt
es einen unmittelbaren Zusammenhang. Deswegen ist es einfach pervers, wenn die
AfD sich mit ihren Positionen als eine Partei inszeniert, die gegen die anderen
Parteien stehen würde, die gegen die neoliberalen Parteien stehen würde, denn
sie ist Teil dieses neoliberalen Parteienkartells und sie lebt davon, dass wir
seit Jahren diese neoliberale Politik haben. Deswegen müssen wir sie als solche
attackieren und es darf nicht das Wording geben „es gibt eine Gemeinsamkeit
aller im Bundestag vertretenen Parteien und die AfD steht dagegen“. Das ist das
Selbstbild, von dem die AfD lebt, und wenn man das tut, tut man ihr einen
Gefallen, denn es ist genau das Gegenteil der Realität. Denn sie vertritt
wirtschaftlich das Gleiche, das haben gestern ja auch Bernd und Katja
angesprochen, auch die AfD steht für Sozialabbau, sie steht für Privatisierung,
sie steht für Ungleichheit und Feigheit vor den Reichen. Deshalb kann man sagen,
alle Parteien außer der LINKEN sind wirtschaftspolitisch AfD-nah, weil sie genau
diese übereinstimmenden Positionen haben. Das müssen wir in den Vordergrund
stellen, wenn wir uns mit dieser Partei auseinandersetzen, denn das ist das
Gegenteil einer Dämonisierung. Natürlich ist es besonders dreist, wenn
ausgerechnet der LINKEN von einigen Vertretern dieser Parteien vorgeworfen wird,
bei uns gäbe es AfD-nahe Positionen. Da kann ich nur sagen, dass da
offensichtlich einige von ihrer eigenen Verantwortung ablenken wollen, Dabei
sollen sie sich, verdammt nochmal, an ihre eigene Nase fassen und endlich ihre
Politik verändern, mit der sie solche Kräfte stark gemacht haben – das ist doch
das, was ansteht. Aber es gibt dann immer wieder Details, an denen man merkt,
dass sie eigentlich der AfD auch nicht so fern sind. Es war ja schon
bemerkenswert, dass ein AfD-Vizepräsident im Landtag, zumindest im ersten
Wahlgang, offensichtlich mehr Chancen hat als der linke Kandidat Wulf Gallert.
Das hat gezeigt, was da offensichtlich auch bei anderen Parteien vertreten wird.
Interessant fand ich auch die Begründung, mit der Herr Maaßen, der
Verfassungsschutzpräsident, abgelehnt hat, die AfD zu beobachten. Er hat nämlich
gesagt: „Wir sind keine Hilfstruppe für etablierte Parteien“. Nun bin ich nicht
der Meinung, dass man die AfD geheimdienstlich bekämpfen muss, ich meine, man
muss sie politisch bekämpfen. Aber ich finde diese Aussage insoweit
bemerkenswert, weil Herr Maaßen und der Verfassungsschutz noch nie Skrupel
hatten, wenn es gegen DIE LINKE ging, als „Hilfstruppe der etablierten Parteien“
zu agieren – das haben sie immer gemacht und ich finde das perfide.
Und in der Flüchtlingspolitik, da haben alle Parteien – und das war auch gut –
empört die zynischen Äußerungen zurückgewiesen, die aus der AfD kamen, dass an
deutschen Grenzen in Zukunft scharf geschossen werden sollte, womöglich sogar
auf Kinder. Es waren alle einig und alle haben gesagt, das geht gar nicht. Nun
frage ich mich allerdings: Ist es irgendwie besser, wenn Frau Merkels
Premiumpartner Erdogan, von dem bekannt ist, dass seine Truppen überhaupt keine
Skrupel haben, auf Kinder zu schießen, sei es an den Grenzen oder sei es in den
kurdischen Gebieten, ist es also irgendwie besser, wenn im deutschen Auftrag an
türkischen Grenzen auf Flüchtlinge geschossen wird? Der einzige Vorteil für Frau
Merkel ist, dass dort die Presse so reguliert und unter Druck gesetzt ist, dass
es keine Bilder davon gibt. Na toll, das ist wirklich ein Edelmut, den kann man
sich sparen. Das ist zynische Politik und deswegen lehnen wir das auch
grundsätzlich ab.
Wir alle haben erlebt, dass die letzten Landtagswahlen nicht so gelaufen sind,
wie wir uns das wünschen. Natürlich müssen wir daran arbeiten, dass sich das bei
den nächsten Landtagswahlen nicht wiederholt, aber ich glaube, ein ganz
wichtiger Kern und eine ganz wichtige Botschaft muss dabei sein, dass DIE LINKE
nicht Teil irgendwelcher imaginären Lager von Parteien ist, die die Leute als
Parteien erlebt haben, die Renten kürzen, Löhne verschlechtern, Vermögenssteuern
ablehnen und TTIP vorantreiben. Wir sind nicht Teil der Lager dieser Parteien
und ich glaube, dass wir das im letzten Jahr zu wenig deutlich gemacht haben.
Wir haben uns subsumieren lassen, wir haben uns zu wenig dagegen gewehrt, dass
wir in bestimmte Lager eingeordnet wurden. Wenn man einen Wahlkampf macht, der
zu stark auf Regierung orientiert, dann macht man einen Lager-Wahlkampf, aber
genau der funktioniert nicht, weil die Menschen doch erlebt haben, was die
anderen Parteien alles verbrochen haben. Ich glaube es ist ganz wichtig, dass
wir hier eine klare Gegenposition und Eigenständigkeit verkörpern, nur dann
können wir diese Wähler zurückgewinnen. Und natürlich ist es normalerweise nicht
so, dass wir als Teil des Merkel-Lagers wahrgenommen werden, und trotzdem ist
das, teils auch bewusst, herbei geschrieben worden im letzten Herbst, und ich
finde, wir haben uns zu wenig dagegen gewehrt. Denn wie scheinheilig ist es
denn, sich wie Merkel als Freundin der Flüchtlinge zu inszenieren und
gleichzeitig Waffen in alle möglichen Kriege- und Krisengebiete dieser Welt zu
liefern, wo immer mehr Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden, wo sie
ermordet werden. Das ist doch keine ordentliche Politik, das ist doch nicht
annehmbar, das ist doch zynisch und scheinheilig. Und genauso scheinheilig ist
es, sich als Freundin der Flüchtlinge zu inszenieren und weiterhin
Interventionskriege zu führen, weiterhin amerikanische Drohnenmorde mit
deutschen Air Basen zu unterstützen, weil auch das dazu führt, dass in den
Ländern, wo diese Morde stattfinden, in den Ländern wo die Bomben fallen, der
islamistische Terrorismus stärker und stärker wird und Menschen in die Flucht
zwingt. Das heißt, wenn man keine Flüchtlinge und keine Fluchtgründe haben will,
dann soll man, verdammt nochmal, diese Politik, diese Kriegspolitik beenden.
Nirgendwo ist Frieden unter Bomben gediehen, überall wurden die Situationen
schlechter und deswegen hat man gelogen, wenn man das miteinander verknüpft. Und
das Gleiche betrifft die unsägliche Politik, arme Länder zu zwingen, ihre Märkte
zu öffnen, damit dann unsere Agrarmultis ihre subventionierten Agrarprodukte in
diese Länder exportieren können, während man genau weiß, dass dort alles kaputt
geht, was an lokaler Landwirtschaft da ist. Das ist zynische Politik, weil das
Menschen in die Flucht schlägt und sie zwingt, ihre Heimat zu verlassen. Und
dann redet man abwertend von „Wirtschaftsflüchtlingen“ -man sagt nur nicht dazu,
dass es unsere Wirtschaft und unsere Konzerne waren, die die Menschen in die
Flucht geschlagen haben. Das muss endlich aufhören und das ist der Kern linker
Politik in dieser Frage. Darum geht es doch, dass das beendet wird – endlich.
Hinter jeder Flucht steht ein Schicksal von Leid und Angst, und deswegen kann es
überhaupt keine linke Position sein, dass wir wollen, dass es möglichst viele
Flüchtlinge gibt, von denen dann die fittesten, die das Mittelmeer überlebt
haben, die die Balkanroute überlebt haben, irgendwie nach Deutschland kommen
können und hier Aufnahme erhalten. Natürlich lehnen wir eine
Einwanderungspolitik ab, die es vor allem darauf abgesehen hat, in Deutschland
die Lohnkonkurrenz zu erhöhen und gleichzeitig armen Ländern ausgerechnet die
qualifiziertesten Fachkräfte abzuwerben. Das ist doch keine linke
Einwanderungspolitik, das ist im Grunde Nützlichkeitsrassismus, und das ist
zynisch und das hat nichts mit unserer Position zu tun.
Die EU hat auch wieder mal an einer Stelle, vielleicht unfreiwillig, offenbart,
wie sie tickt. Wir haben ja diesen ekligen Menschenhandel, den sie da mit der
Türkei vereinbart haben, die Menschen aus Griechenland werden abgeschoben,
gleichzeitig können aus der Türkei Menschen einreisen – wir haben das ja immer
abgelehnt. Aber ich muss sagen, was ich jetzt besonders perfide fand, ist die
Kritik an der Türkei – ganz viel Kritik finde ich richtig, aber eine spezielle,
die war sowas von menschenverachtend -, nämlich die Kritik, dass die Türkei sich
erdreistet, uns nicht die Ärzte und Facharbeiter zu schicken, sondern, um Gottes
Willen, die Kranken und Alten und Schwachen, und die wollen wir doch nun gar
nicht haben. Was ist denn das für eine Politik? Das ist wirklich rechts, das ist
wirklich AfD -aber es war die CDU und es war die JU, die es formuliert haben.
Das ist doch schlimm, das ist doch überhaupt nicht akzeptabel!
Und wir dürfen uns auch nicht abfinden mit den vielen elendigen Situationen, die
es auf dieser Welt gibt. Viele Menschen haben ja überhaupt nicht die Chance zu
fliehen, weil sie gar kein Geld haben. Auf dieser Welt gibt es 8,8 Millionen
Menschen jedes Jahr, die verhungern, die vor Hunger sterben. Es gibt immer mehr
Gebiete, wo man nicht mehr leben kann und nicht mehr wohnen kann. Das ist
weitgehend aus der gesellschaftlichen Debatte verschwunden und ich finde, da
muss es aber wieder hinein. Es kann doch nicht wahr sein, dass für Kriege
Hunderte Milliarden ausgegeben werden – allein die USA haben für den
Afghanistan-Krieg 700 Milliarden Dollar ausgegeben, für den Irak-Krieg 815
Milliarden Dollar -, aber dagegen, dass acht Millionen Menschen, darunter drei
Millionen Kinder, jedes Jahr elendig verhungern, dafür hat man kein Geld. Was
ist das für eine unsägliche Politik! Wir finden uns nicht damit ab, dass es auf
dieser Welt so viel Hunger und so viel Elend gibt. Das muss endlich geändert
werden, das ist doch unser Hauptansatz internationaler Politik. Dann haben die
Menschen auch zu Hause eine Perspektive, und dann müssen die Menschen nicht mehr
fliehen, und dann können sie sich in ihren Ländern tatsächlich etwas aufbauen.
Und deswegen haben wir mit dem, was Merkel macht, klar nichts zu tun. Was die
SPD angeht, so hat es im Vorfeld des Parteitages noch einmal Vorschläge gegeben,
dass wir doch dort mehr auf Härte setzen und dass wir mehr Angebote machen
sollten. Ich muss sagen, wir haben der SPD immer angeboten, dass wir mit ihr
zusammen arbeiten, um den Sozialstaat wieder herzustellen, um mehr soziale
Gerechtigkeit herbeizuführen. Wenn die SPD jetzt plötzlich der Mut befallen
würde und sie zum Beispiel kurz vor der Wahl, wo es ja eigentlich nichts mehr
kostet, weil die Koalition dann sowieso zu Ende ist, die rot-rot-grüne-Mehrheit,
die es nach der Wahl wahrscheinlich nicht mehr geben wird, noch wenigstens
einmal nutzen wollen und im Bundestag Gesetze einbringen würde, die
Rentenkürzungen zurückzunehmen, Leiharbeit endlich wieder ordentlich zu
regulieren, den Mindestlohn deutlich zu erhöhen und eine Vermögenssteuer
einzuführen, die ihren Namen verdient und vielleicht noch bei der
Erbschaftssteuer wirklich etwas draufzulegen – ja, natürlich würden wir diesen
Vorschlägen zustimmen, das versteht sich doch völlig von selbst und ich verstehe
bestimmte Debatten nicht, die bei uns da immer wieder geführt werden, als würden
wir dem nicht zustimmen, natürlich würden wir das machen. Das Problem ist nur,
ich sehe sie nicht, die Vorschläge, ich sehe nicht die Offerten, ich sehe eine
SPD, die in einer Großen Koalition versauert, wo sie wirklich, mit Ausnahme der
Einführung eines kargen Mindestlohnes, kein einziges ernsthaft soziales Gesetz
durchgesetzt hat, sondern sie hat eine Mietpreisbremse durchgesetzt, die sich
als totaler Flop erwiesen hat, die Mieten steigen weiter und sie werden solange
steigen, bis man endlich mal wieder sozialen Wohnungsbau und kommunalen
Wohnungsbau nach oben fährt, das ist ja überhaupt keine Frage. Sie hat ein
Gesetz zu Leiharbeit und Werkverträgen durchgesetzt, das es in Zukunft den
Unternehmen noch mehr erleichtert, Menschen in prekäre Verhältnisse zu zwingen
und Lohndumping zu betreiben – und ansonsten ist auch nicht viel zu hören. Ja,
dann muss ich mich doch nicht echauffieren, ich finde, dass wir nicht so
unsinnige Debatten führen müssen, warum wir der SPD nicht mehr Angebote machen
oder ob wir vielleicht mit ihr einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten aufstellen.
Das sind doch bei der Realität der jetzigen SPD wirklich absurde Vorschläge, so
gewinnen wir doch nicht Vertrauen von Wählern zurück, so verspielen wir
Vertrauen. Ich glaube, wir sind uns auch alle einig, dass wir uns die SPD anders
wünschen würden. Wenn der SPD-Vorsitzende zum Beispiel Jeremy Corbyn oder Bernie
Sanders heißen würde, dann wäre wirklich ein gemeinsamer Kanzlerkandidat eine
richtig tolle Idee, und ich glaube, niemand auf diesem Parteitag hätte etwas
dagegen, dass wir das dann unterstützen. Wir wären dann immer noch eigenständig
und hätten natürlich immer noch in bestimmten Punkten andere Positionen, aber
das wäre ein gemeinsames Projekt, das wären gemeinsame Inhalte, für die man
kämpfen könnte, aber, bitte schön, wir können uns doch die SPD nicht backen. Sie
ist, wie sie ist, und solange sie auch völlig klaglos hinnimmt, dass sie vom
Wähler abgestraft wird für ihre Politik, ja gut, da können wir es nicht ändern.
Was wir machen können, ist, unsere Eigenständigkeit und unser eigenes Profil in
den Vordergrund zu stellen. Ich glaube, das ist das, was die Menschen erwarten
und das, was unsere Aufgabe ist.
Und deswegen sehe ich auch überhaupt nicht, wieso man Gestaltung und Protest
teilweise in einen Widerspruch setzt. Natürlich müssen wir Stimme des Protestes
gegen eine unsägliche Politik sein, gegen eine Politik, die die
Lebensverhältnisse einer gesellschaftlichen Mehrheit verschlechtert, natürlich
müssen wir protestieren. Wir müssen sogar noch viel mehr versuchen als bisher,
Menschen dazu zu bringen, dass sie nicht nur innerlich protestieren, sondern
dass sie wirklich auch auf die Straße gehen, dass sie sich auch wirklich wehren,
dass wir auch mal ähnliche Prozesse in Deutschland kriegen, die Franzosen machen
uns doch vor, wie man gegen eine falsche Politik wirklich erfolgreich aktiv sein
kann. Das müssen wir doch hinkriegen, und da müssen wir ein Teil davon sein.
Und natürlich hätte ich mir gewünscht, dass auch die deutschen Gewerkschaften
schon bei der Agenda 2010 so agiert hätten, wie es jetzt zumindest ein Teil der
französischen Gewerkschaft tut, nämlich wirklich die Menschen aufzurufen und zu
mobilisieren. Das ist doch das Einzige, was tatsächlich irgendwann in diesem
Land auch das gesellschaftliche Klima so verändern wird, dass es vielleicht
wirklich mal eine linke Regierung geben kann. Da müssen wir Druck organisieren
und Teil dieses Druckes werden und nicht immer nur etwas herbeireden, wofür es
überhaupt keine Grundlage gibt. Man wird nicht dadurch Teil einer linken
Regierung, dass man immer darüber schwätzt, sondern dass man gesellschaftlichen
Druck und gesellschaftlichen Widerstand mit organisiert. Ich denke, das ist der
Weg. Und vor allen Dingen müssen wir stark sein und etwas verkörpern, was die
Menschen auch anspricht.
Und dafür ist es auch wichtig, immer wieder darüber zu sprechen, warum es
eigentlich diesen massiven Schwenk in Richtung des Neoliberalismus gegeben hat.
Das ist ja nicht nur, weil die Politiker einfach alle doof sind, die da in den
Regierungen sind, sondern das hat etwas mit wirtschaftlichen Machtverhältnissen
zu tun. Das hat etwas mit der Machtverschiebung zu tun, weg von der Politik, hin
zur Wirtschaft. Das hat etwas mit der enormen Machtkonzentration, nämlich der
Beherrschung von wirtschaftlichen Ressourcen und riesigen Vermögen in den Händen
Weniger zu tun, das heißt, es hat etwas mit dem aktuellen Kapitalismus zu tun.
Und das muss man aussprechen, weil man dann auch Alternativen vorschlagen kann.
Und wir sind uns einig, das haben ja auch die Parteivorsitzenden und auch
Dietmar Bartsch angesprochen, dass wir eine Kraft sein müssen, die wieder die
Frage der Wirtschaftsordnung und die Frage des Eigentums und die Frage des
Kapitalismus in den Vordergrund stellt, weil da die Alternativen liegen, die wir
vertreten müssen, weil das letztlich die Ursache dafür ist, dass alles so weit
entglitten ist. Ja, und wir müssen auch über Enteignung reden. Nämlich über die
tägliche Enteignung, die in diesem Wirtschaftssystem jeden Tag an der
Tagesordnung ist. Was erleben wir denn, wenn wir wieder Rekorddividenden haben
und auf der anderen Seite die Löhne sinken? Was ist denn das anderes als eine
Enteignung, eine Enteignung derer, die arbeiten, das ganze Lohndumping ist eine
Enteignung und die ganze Zerstörung der Renten ist eine Enteignung und der ganze
Sozialabbau ist eine Enteignung. Und deswegen muss man auch ganz klar sagen:
Wenn wir zum Beispiel Vermögenssteuern fordern, wenn wir fordern, dass die
Belegschaften ihre Unternehmen tatsächlich auch bestimmen können und nicht
irgendwelche externe Eigentümer dort ihre Dividenden rausziehen, dann ist das
keine Forderung nach Enteignung, dann ist das eine Forderung nach Rückgabe,
nämlich Rückgabe all dessen, was die Menschen in diesem Land und auch in anderen
Ländern erarbeiten, dass sie das endlich wieder in die eigene Hand bekommen! Ich
finde, auch das ist ein ganz, ganz wichtiges Thema. Wir wollen nicht die
Enteignung, die der real existierende Kapitalismus jeden Tag praktiziert, wir
wollen sie zurücknehmen – das ist auch Kern linker Politik. Wir wollen, dass
auch die, die den Reichtum erarbeiten, wirklich wieder über diesen Reichtum
verfügen können, dafür machen wir Vorschläge. Das ist sicherlich nichts, was man
in einer Legislatur umsetzt, aber als Perspektive und als ein Programm, das uns
wirklich absetzt von dem Kleinklein bestimmter Teilmaßnahmen ist es ganz, ganz
wichtig. Wir müssen wahrnehmbar werden, ich glaube, auch wieder stärker als eine
Partei des sozialen Aufbruchs und der grundsätzlichen Alternativen.
Und dann werden wir Menschen auch wieder erreichen und wieder begeistern können.
Und natürlich müssen wir auch immer wieder über den Zusammenhang von
Kapitalismus und Krieg reden. Heute waren Frau Merkel und Herr Hollande in
Verdun. 300.000 Menschen sind dort auf furchtbare Weise auf den Schlachtfeldern
ermordet worden, damals im Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren. Ich wünschte, Frau
Merkel würde, wenn sie solche Stätten besichtigt, irgendwann mal ernsthaft
darüber nachdenken, wie saugefährlich es ist, was zurzeit in Europa passiert,
dass deutsche Soldaten an die russische Grenze geschickt werden sollen, dass
Raketensysteme in Rumänien stationiert werden, dass Atomwaffen in Deutschland
modernisiert werden -und das alles für nichts und wieder nichts als für
irgendwelche Profitinteressen. Damit riskiert man die Existenz und das Leben der
Menschen in Europa. Für uns ist ganz klar, dass wir als LINKE immer wieder
sagen, Krieg darf kein Mittel der Politik sein, und im Atomzeitalter schon gar
nicht! Wir brauchen endlich Frieden und Solidarität und Zusammenarbeit.
Und deswegen als letzten Punkt, was für uns wichtig ist, gerade wenn wir jetzt
in die Wahlkämpfe starten und auch nach den Debatten. Natürlich ist es für jeden
von uns auch immer niederschlagend, wenn man ein schlechtes Wahlergebnis hatte,
so wie das im März war. Ich glaube aber, wir dürfen uns nicht in die
Mutlosigkeit und Krise hineinreden lassen. Was habe ich vor diesem Parteitag
nicht alles gelesen über DIE LINKE, eine „völlig desolate Lage“ sei bei uns,
„Tal der Tränen“. Natürlich waren die Ergebnisse nicht gut, man darf sich damit
nicht begnügen und man darf auch nicht darüber hinwegreden, was für Fehler
gemacht wurden und warum wir solche Ergebnisse hatten. Aber ich muss auch sagen,
wenn ich mir die Umfragen anschaue auf Bundesebene, dann stehen wir stabil in
den meisten Umfragen oberhalb des letzten Bundestagswahlergebnisses – und das,
obwohl die AfD seither um fast zehn Prozent zugelegt hat. Deswegen sollten wir
uns nicht diese Krisendebatte auch noch selber auf den Tisch holen, dafür gibt
es doch überhaupt keinen Anlass, wir haben doch zum Glück Resonanz, wir haben
doch zum Glück Rückhalt. Wir wollen das ausbauen – ja, wir wollen mehr davon und
wir haben auch viel mehr verdient an Resonanz und an Rückhalt. Aber, bitte
schön, es ist nicht so, dass dieser Parteitag in einer Krisensituation der
Partei stattfindet. Das wünschen sich Einige, dass wir uns das einreden lassen,
weil sich Einige natürlich auch wünschen, dass DIE LINKE in eine Krise kommt,
und ich finde, schon um denen den Gefallen nicht zu tun, sollten wir das nicht
verinnerlichen, sondern wirklich selbstbewusst sagen: Ja, DIE LINKE wird
gebraucht, und wir gehen in die nächsten Wahlkämpfe mit Zuversicht und mit
Ausstrahlung und mit klaren Konzepten und großer Eigenständigkeit! Und dann bin
ich auch überzeugt, dass wir die Chance haben, sowohl in Berlin als auch in
Mecklenburg-Vorpommern ein gutes Ergebnis zu bekommen. Und nächstes Jahr die
Schlüsselwahl bei den Landtagswahlen, das ist die Wahl in NRW, und da werden wir
alle gemeinsam darum kämpfen, dass wir, verdammt nochmal, in diesen Landtag
wieder reinkommen – und auch da haben wir Umfragen, die alle oberhalb von 5%
liegen. Klar darf man sich darauf nicht ausruhen, wir hatten das auch bei
anderen Bundesländern, aber das ist doch ein optimistisches Signal. Und
natürlich müssen wir in diesen Landtag rein, es ist das größte Bundesland und
natürlich braucht es da eine soziale Stimme, die sich dort endlich wieder stark
artikulieren kann, so wie auch im nächsten Bundestag. Ich denke, wenn wir in NRW
mit einem guten Ergebnis eingezogen sind, dann werden wir auch eine gute
Bundestagswahl hinlegen. Und, verdammt, im Bundestag darf es nicht dazu kommen,
dass die rechte Opposition stärker wird als die linke Opposition, weil rechte
Opposition heißt Rassismus und Nationalismus. Im Bundestag brauchen wir soziale
Angebote, das macht DIE LINKE, und dafür kämpfen wir!