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11.05.2016 13:30
Das SWIFT-System:
Eine potenzielle Waffe im Hybridkrieg
Die Wirtschafts- und Finanz-Sanktionen gegen Russland haben die von SWIFT
gespielte Rolle der US-amerikanischen Kontrolle über den internationalen
Geldverkehr aufgedeckt. Wenn Russland auch schon auf nationaler Ebene sein
eigenes System eingerichtet hat, gibt es derzeit noch keine Alternative für
SWIFT auf internationaler Ebene.
[Quelle: voltairenet.org]
JWD
Quelle: voltairenet.org (verlinkt)
Die Abkürzung SWIFT (The Society for Worldwide Interbank Financial
Telecommunications) ist wieder einmal in den Schlagzeilen der globalen Medien
aufgetaucht. Experten beschreiben in der Regel SWIFT als ein internationales
Interbank-Netzwerk, zur Übertragung der Informationen zur Abwicklung des
Zahlungsverkehrs. Es könnte auch eine Waffe gegen Russland werden, wenn der
Hybridkrieg sich in einen echten Krieg wandelt.
Die Globalisierung wäre ohne SWIFT unmöglich
Die Firma wurde 1973 gegründet. Zu diesem Zeitpunkt war das nach dem zweiten
Weltkrieg 1944 in Bretton Woods gegründete Währungssystem praktisch
zusammengebrochen. Der Dollar und auch andere Währungen waren vom Gold
abgekoppelt, und die Druckmaschinen der US-Notenbank und anderer westlichen
Zentralbanken liefen auf Hochtouren. Das Volumen der internationalen Zahlungen
hatte deutlich zugenommen. Die traditionellen Systeme für Daten-Austausch von
Zahlungstransaktionen (Fernschreiber, Telegraph und Telefon) konnten die Zunahme
des Verkehrs nicht bewältigen.
Es war notwendig, die neueste Technologie heranziehen, um die isolierten Kanäle
zum Austausch von Informationen zu zentralisieren. Zwei hundert neununddreißig
Banken aus 15 Ländern arbeiteten zusammen, um eine Organisation zur Lösung
dieses Problems zu gründen. SWIFT ist eine Genossenschaft, nach europäischem
Recht, mit Sitz in Brüssel. Derzeit sind fast 11000 Institutionen aus über 200
Ländern, einschließlich 9600 Banken, Mitglied von SWIFT. Jedes Jahr werden 2,5
Milliarden Zahlungsaufträge über das SWIFT-Netzwerk abgewickelt, und jeden Tag
arbeitet es mit Milliarden Dollar.
Die Vorteile von SWIFT sind seine Geschwindigkeit, sein kostengünstiger und
zuverlässiger Datenschutz. Daher laufen die meisten internationalen
Zahlungsausgleiche und Zahlungen der Welt jetzt über das SWIFT-System. Zahlungen
werden auch durch dieses Netzwerk abgerechnet, auch wenn jede der Parteien unter
der gleichen Gerichtsbarkeit steht. Dazu gehören Dollar und Euro-Zahlungen, die
durch das Bankensystem der USA und der Europäischen Union behandelt werden
müssen. Im Laufe des 21. Jahrhundert begann der Geldverkehr dank des
SWIFT-Systems in der gesamten Weltwirtschaft. Die Wirtschafts- und
Finanz-Globalisierung, die in den 1970er Jahren begann, wäre ohne SWIFT
unmöglich gewesen.
Der Skandal des Angriffs
auf die Zentralbank von Bangladesch
Das SWIFT-System wurde oft von Hackern angegriffen, die versuchten in die
Datenbanken einzudringen, um Geld von den Konten der Mitgliedsbanken der
Gesellschaft abzuzweigen. Mehrere Versuche bei Sicherheitsverletzungen wurden
allein in den letzten Tagen notiert.
Anfang März berichtete [1] die Zentralbank von Bangladesch über
das Verschwinden von $ 81 Millionen von ihren Devisenreserven. Dies blieb
unbemerkt bei den Datenverarbeitungs-Diensten bei SWIFT und der Zentralbank.
Eine Untersuchung ergab, dass die von der Zentralbank verwendete Hard- und
Software zum Verarbeiten der Zahlungsvorgänge viel zu wünschen übrig ließ. Die
Cyber-Eindringlinge scheinen fortgeschrittene technische Fähigkeiten zu
besitzen. Sie hatten nicht erwartet, dass die Fakten des Diebstahls sofort ans
Licht kommen würden und dachten, dass sie Zeit hätten, entweder ihre Beute in
Sicherheit zu bringen oder das Geld waschen zu können.
Der Angriff auf die Zentral Bank von Bangladesch war fachgerecht geplant worden
und zeigte eine enge Vertrautheit mit dem Innenleben dieser Bank. In der Regel
kann jemand von innen her eine von außerhalb dieser Organisation durchgeführte
Hacker-Operation entweder machen oder verhindern. Somit stellt sich die Frage:
gibt es solche Informanten innerhalb des SWIFT-Hauptquartiers in Brüssel?
SWIFT: hochkarätige Skandale der letzten Jahre
Die Gesellschaft hat schon in der Vergangenheit unter Skandalen gelitten. Nach
dem 11. September 2001 erlangte sowohl die CIA als auch der finanzielle
Nachrichtendienst der US-Finanz-Abteilung Zugriff [2] auf
SWIFT-Netzwerk-Informationen. Aber die Manager der SWIFT-Daten-Zentren
informierten ihre Mitglieder nicht über diese Zusammenarbeit zwischen der
Gesellschaft und den Sicherheitsbehörden. Nur wenige Auserwählte wussten von dem
amerikanischen «Terroristen-Verfolgungs»-Programm. Die Informationen wurden bis
2006 nicht offengelegt.
Im Jahr 2012 befand sich SWIFT wieder in den Schlagzeilen. Damals setzte
Washington die Gesellschaft stark unter Druck, damit sie die iranischen Banken
vom SWIFT-Netzwerk abkoppelt [3]. Natürlich war eine
Gesellschaft, die ständig behauptet, „außerhalb der Politik zu bleiben», von
dieser Maßnahme unangenehm berührt. Sogar nur eine Bank abzukoppeln, würde bei
dem System Misstrauen erwecken, sein Rating senken und andere SWIFT-Mitglieder
ermutigen, Sicherungspläne zu schmieden. Aber Washington gewann diesen Kampf –
und 14 iranische Banken wurden von SWIFT vertrieben.
Aber auf Regen folgt Sonnenschein. Der Iran lernte ohne SWIFT auszukommen und
gewann wertvolle Erfahrung bei der Nutzung alternativer Systeme für
internationalen Zahlungsverkehr und Abrechnungen. Washington hat jetzt
freundlicherweise einige dieser Sanktionen gegen den Iran zurückgezogen, und so
kann dieses Land das SWIFT-Netzwerk wieder benutzen. Aber Teheran ist nicht
gewillt die Einladung so schnell anzunehmen. Zunächst ist Washingtons Politik
gegenüber dem Iran sehr widersprüchlich und inkonsistent. Zweitens, im Hinblick
auf den jüngsten Skandal, haben Iran und andere Länder zunehmende Bedenken über
SWIFT. Es ist unwahrscheinlich, dass Teheran alle seine Eier in einen Korb legen
wird. Einige wenige iranische Banken werden wieder damit verbunden werden, aber
die meisten Zahlungsvorgänge werden weiterhin über alternative Kanäle erfolgen.
Russland braucht eine Alternative für SWIFT
Es gibt heute etwa 800 Banken in Russland, rund 600 davon sind mit dem
SWIFT-System verbunden. Russland ist die Heimat der zweithöchsten Teilnehmerzahl
von SWIFT- Mitgliedsinstitutionen (nach den USA), aber es nicht in dem Top-Zehn
in Bezug auf Volumen der Transaktionen (letztes Jahr war Moskau 15.). In den
frühen 2000er Jahren wurden mindestens 90 % der Auslands-Zahlungen von Russland
durch SWIFT gemacht. Das System wurde auch für viele inländische Transaktionen
genutzt.
Als der Westen erstmals im Jahr 2014 Wirtschaftssanktionen gegen Russland
verhing, verlangte der britische Premierminister David Cameron, dass Russland
von dem SWIFT-System getrennt werde. Der einzige Grund, warum sie diese Sanktion
nicht durchgeführt haben, ist, weil der Westen die möglichen Konsequenzen
fürchtete. Nämlich Russland von SWIFT zu trennen ist nicht wie den Iran davon
abzukoppeln – nur 14 Banken wurden abgetrennt, während in der Russischen
Föderation 600 abgekoppelt werden müssten.
Aber wenn der Hybridkrieg gegen Russland ein ausgewachsener Konflikt wird, darf
die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass russische Bank-Operationen
vollständig von SWIFT ausgeschlossen werden. Vorbereitungen für diesen Krieg
können nicht bis zur letzten Minute warten, und einige Maßnahmen sind bereits
vorhanden. Z. B., Ende 2014 machten russische Unternehmen und Organisationen
bereits Zahlungen und Abrechnung von Konten miteinander ohne Rückgriff auf SWIFT
als Vermittler. Ein nationales System für inländische Zahlungen zwischen
russischen Banken wurde bereits eingerichtet [4].
Internationaler Zahlungsverkehr ist komplizierter. Zurück zum Jahr 2014 begannen
Diskussionen zwischen China und der Russischen Föderation, um ein
direktes-Zahlungs-System zu schaffen (das auch Informationen über Zahlungen
übertragen würde). Das System muss autonom sein – völlig unabhängig von jedem
von den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union (speziell das
transeuropäische TARGET-System) gesteuerten Zahlungssystem. Und diese Autonomie
ist nur möglich durch die Umstellung auf die Verwendung von nationalen Währungen
– eine Prämisse, die in den ursprünglichen Entwurf integriert wurde.
Zusätzlich zu der am BRIC-Gipfel in Brasilien im Juli 2014 unterzeichneten
Vereinbarung zur Einführung der BRICS Development Bank, wurde auch vereinbart,
dass die Zentralbanken der BRICS-Länder gegenseitige Kreditlinien in ihren
nationalen Währungen öffnen würden. Vielleicht war das, als die Idee der
Schaffung eines bilateralen Zahlungssystems für Russland und China in die Idee
des multilateralen BRICS Zahlungssystems umgewandelt wurde. Natürlich würde das
auch Transaktionen in den nationalen Währungen der fünf Länder bedeuten.
Russland hat größtes Interesse an diesem BRICS Zahlungs-Netzwerk gezeigt. Im
Oktober letzten Jahres berichtete Beijing, dass ein System für den
Internationalen Zahlungsverkehr in Yuan bereits funktionsfähig wäre, welches es
die chinesische Alternative zu SWIFT nannte. Nur eine geringe Anzahl von
Transaktionen verwendet diese chinesische Plattform, aber es ist möglich, dass
diese Eichel sich mit der Zeit in eine mächtige Eiche eines Systems, in eine
Alternative zu SWIFT, entwickelt könnte.
Einige nicht-BRICS-Länder, wie der Iran und Kasachstan, haben Interesse an der
Teilnahme an dem Projekt gezeigt, um ein alternatives Netzwerk für multilaterale
Zahlungen zu erstellen. Der neueste SWIFT-Skandal (der Diebstahl des Geldes der
Zentralbank von Bangladesch) ist noch ein weiterer Grund, warum Russland und
seine internationalen Partner das Tempo erhöhen und dieses Projekt eines
alternativen internationalen Zahlungssystems erstellen sollten.
Autor:
Valentin Katasonov
| Übersetzung: Horst Frohlich | Quelle: Strategic Culture
Foundation (Russland)
[1] “The Incredible Story Of How
Hackers Stole $100 Million From The New York Fed”, Tyler Durden, Zero Hedge,
March 10, 2016.
[2] “Bank Data Is Sifted by U.S. in Secret to Block Terror”,
Eric Lichtblau & James Risen, The New York Times, June 23rd, 2006.
[3] “Iran Praises Nuclear Talks With Team From U.N.”, Rick
Gladstone, The New York Times, January 31st, 2012.
[4] „Russland überstürzt den Verzicht der BRIC-Staaten auf
Swift“, von Ariel Noyola Rodríguez, Übersetzung Horst Frohlich, Russia Today
(Russland) , Voltaire Netzwerk, 7. Oktober 2015.
Valentin Katasonov: Professor an der Abteilung von Moskau des
Staats-Instituts der Internationalen Finanz, Doktor der
Wirtschaftswissenschaften, korrespondierendes Mitglied der Akademie der
Wissenschaften der Wirtschaft und des Handels. Er war Berater der Vereinten
Nationen (1991-93), Mitglied im Beirat des Präsidenten der Europäischen Bank für
Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) (1993-96), Leiter der Abteilung der
internationalen Währungsbeziehungen des russischen Außenministeriums (2001-11).
Dieser Beitrag ist unter Lizenz der Creative
Commons (Lizenz CC BY-NC-ND)
Link zum Originaltext bei ' voltairenet.org '
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