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02.08.2015 00:00
Warum wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen
In einem aktuellen Interview mit Reinhard Jellen auf Telepolis, bringt Berthold Seliger das ganze Elend des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf den Punkt und plädiert für die Abschaffung des gebührenfinanzierten Staatsfernsehen. Seliger hat in all seinen Kritikpunkten vollkommen Recht, liegt jedoch in seiner Forderung vollkommen falsch.  [Quelle: Propagandaschau] JWD

Es gibt so viele Initiativen, die sich gegen die Propaganda der ÖR richten, dass es unmöglich wäre, sie alle aufzuzählen. Viele fordern aus berechtigter Empörung deren komplette Abschaffung. Am 12. August findet in Berlin eine Verhandlung über Olaf Kretschmanns Verweigerung der GEZ aus Gewissensgründen statt. Wer die Zeit hat, sollte dorthin gehen und Olaf unterstützen.

Leider lässt das Interview auf Telepolis die Frage, wie sich Berthold Seliger die Zukunft der Information vorstellt, völlig offen. Vielleicht erfahren wir dazu mehr im angekündigten zweiten Teil, denn wer die ÖR abschaffen will, der muss ein Zukunftskonzept haben, das über “weg damit” hinaus geht.

Viele Leser verstehen nicht, warum wir ausgerechnet hier, in dem Medium, das die ÖR am härtesten kritisiert, diese nicht abschaffen, sondern reformieren wollen. Das ist eine berechtigte Frage und wir wollen deshalb noch einmal darlegen, worum es geht und warum die Institution eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks so wichtig ist.

Sowohl die innere Organisation gesellschaftlichen Zusammenlebens, als auch die Organisation der Außenverbindungen dieses Staates basiert auf Informationen. Richtige Entscheidungen zum Wohle der Bürger und des Staates können aber nur anhand wahrhaftiger und umfassender Informationen getroffen werden. Werden Bürger und Staat getäuscht, dann werden falsche Entscheidungen getroffen, wie beispielsweise die von einer kleinen Elite politisch gewollte, aber volkswirtschaftlich stümperhafte Einführung des Euro, die katastrophale Folgen für das Gemeinwesen und jeden einzelnen Bürger nach sich ziehen können. Die Griechen spüren die Folgen dieser falschen Entscheidung, die ihre politische Elite mit allerlei Lügen und Versprechungen herbeigeführt hat, bereits am eigenen Leib.

Am Beispiel des Euro zeigt sich, wie mangelnde Demokratie und falsche Information – genau genommen vorsätzliche Manipulation der öffentlichen Meinung – verheerende Folgen nach sich ziehen können. Es ist ein Exempel, das man auf sämtliche aktuellen, menschengemachten Katastrophen übertragen kann. Propaganda und Desinformation im Westen haben die Verheerung und Bürgerkriegszustände, sowohl in der arabischen Welt, als auch in der Ukraine mit vorangetrieben. Die öffentlichen-rechtlichen Rundfunkanstalten, die sich unter der Kontrolle eben jener Parteien befinden, deren Politik sie eigentlich kritisch überprüfen und infrage stellen müssten, sind Verkündungs- und Durchsetzungsorgane von Partikularinteressen wirtschaftlicher und politischer Eliten geworden. Sie filtern wichtige Informationen aus der Öffentlichkeit heraus und lenken die Aufmerksamkeit gezielt in die Richtungen, die ihnen die Politik und politische Netzwerke vorgeben.

Hinter dieser Manipulation steckt eine Ideologie: der Glaube, dass elitäre Kreise besser wüssten, was für das Wohl einer Gesellschaft gut ist, als die kumulierten Meinungen und das breite Wissen der Individuen dieser Gesellschaft. Auf diese Weise werden Informationen, politische Wege und Lösungen von Problemen gezielt ausgeblendet. Die Bürger sind keine selbstbestimmten Individuen, kein aktiver Teil der Politik, sondern werden zu Schafen degradiert, die von einer Handvoll Hütehunde, die Partikularinteressen vertreten, gelenkt werden.

Das Problem ist nicht der öffentlich-rechtliche Rundfunk

Es ist offensichtlich, dass die Meinungsmache und Propaganda in den öffentlich-rechtlichen Anstalten mit der der Printmedien und der Privatsender identisch ist. Das kann deshalb nicht wundern, weil sich diese privatwirtschaftlichen Konzernmedien faktisch in der Hand eben jener Eliten befinden, die über Politik und Netzwerke auch die ÖR steuern. Was würde passieren, wenn die ÖR morgen abgeschafft und beispielsweise – wie ein Gutachten aus dem Finanzministerium fordert – durch einen lupenreinen Staatsfunk ersetzt würden? Wäre dadurch mit Blick auf die wahrhaftige und umfassende Information der Öffentlichkeit irgendetwas gewonnen?

Das Gegenteil wäre der Fall. Ein Staatsfunk, der auf die finanziellen Zuweisungen der Regierung angewiesen ist, würde die dort beschäftigten Journalisten unter noch größeren Druck setzen, systemkonform zu berichten. Gerade aus diesem Grund wurde das System des dezentralisierten, beitragsfinanzierten Rundfunks überhaupt erst geschaffen. Die Abschaffung der ÖR hätte eine gefährliche Verschlimmerung der Situation zur Folge und es ist kein Zufall, dass derlei Empfehlungen aus dem Hause Schäuble finanziert und in die Welt getragen werden.

Das Problem ist also nicht das Prinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der laut Staatsvertrag unparteilich, objektiv, ausgewogen und meinungsvielfältig informieren muss, sondern das Problem ist, dass die ÖR diesen Vorgaben des Staatsvertrags nicht nachkommen, weil sie von Parteien und Netzwerken unterwandert und gesteuert sind. Die Lösung kann und darf also nicht sein, die ÖR abzuschaffen, sondern sie müssen so gründlich und nachhaltig reformiert werden, dass einseitige Propaganda und Desinformation prinzipiell ausgeschlossen sind.

Wie das im Detail geschehen kann, dazu muss ein öffentlicher Diskurs geführt werden. Dass es im Bundesverfassungsgericht vernünftige Menschen gibt, die das Problem erkannt haben, zeigt die abweichende Meinung von Richter Paulus im letzten Urteil:
    “Dem Urteil kann ich nicht zustimmen, soweit es im staatsfreien oder auch nur „staatsfernen“ Zweiten Deutschen Fernsehen die Mitwirkung von Mitgliedern der Exekutive in den Aufsichtsgremien für verfassungsrechtlich zulässig erklärt. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen dient nicht der Verbreitung staatlicher Informationen, sondern dem Ausdruck der Vielfalt von Meinungen und der gesellschaftlichen Breite des Sendeangebots. Diesen Grundansatz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts halte ich in Einklang mit dem Urteil auch weiterhin für richtig. Das Urteil setzt seinen eigenen Ansatz aber nur zum Teil um, obwohl sich seit dem ersten Fernsehurteil herausgestellt hat, dass die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des Zweiten Deutschen Fernsehens dem Grundsatz der Staatsferne nicht gerecht wird. Die Gremien – und mit ihnen die Anstalten – passen sich der Politik an, nicht die Politik den Aufgaben der Gremien.

    Wenn die Aufsichtsgremien von Rundfunk und Fernsehen von denen beherrscht werden, deren Kontrolle sie unter anderem ermöglichen sollen, ist damit eine Beeinträchtigung ihrer Funktion verbunden. Durch die Möglichkeit der Entsendung von Exekutivvertretern definiert das Urteil die Staatsgewalt von einer Bedrohung der Vielfalt zu einem Element eben dieser Vielfaltsgewährleistung um. Meiner Auffassung nach reicht eine Drittelquote, welche staatliche und „staatsnahe“ Vertreter umfasst, für die Gewährleistung der Vielfalt im Zweiten Deutschen Fernsehen nicht aus. Vielmehr halte ich eine weitgehende Freiheit der Aufsichtsgremien von Vertretern des Staates für erforderlich, um – nach dem Beispiel der meisten Länderanstalten – die Kontrollorgane des Zweiten Deutschen Fernsehens von staatlichem Einfluss zu emanzipieren. Bei ihnen ist die Gefahr einer politischen Instrumentalisierung höher als bei Mitgliedern von Parlamenten und Parteien, die von der Verfassung als Volksvertreter und Vermittler zwischen dem Staat und den Bürgern vorgesehen sind.

    Allenfalls mag es noch angehen, im Sinne einer föderalen „Brechung“ die Mitwirkung von Exekutivmitgliedern im Fernsehrat zu einem geringen Maß zuzulassen. Ganz auszuschließen ist aber die Mitgliedschaft der Länderexekutive im Verwaltungsrat. Bei diesem führen die vagen Vorgaben des Urteils für die Pluralität der Staatsvertreter kaum eine wirksame Vielfaltssicherung herbei.”
    (LINK)
Wahrhaftige Information ist die Basis zur Organisation einer demokratischen Grundordnung. Sie ist auch der Ansatzpunkt jeder demokratischen Weiterentwicklung von Staat und Gesellschaft. Die Gefahren, die drohen, wenn es mit der Propaganda so weitergeht wie bisher, wenn die ÖR gar zerschlagen werden und wir nur noch einen lupenreinen Staatsfunk und Elitenpropaganda aus Großkonzernen haben, die Journalisten austauschen wie Reinungspersonal, können gar nicht groß genug an die Wand gemalt werden.

Wir sind eine kooperative und arbeitsteilige Gesellschaft. Wir bezahlen Lehrer, die unsere Kinder ausbilden, Polizisten, die für Einhaltung gesellschaftlicher Regeln sorgen und Handwerker, die unsere Häuser bauen und Infrastruktur instand halten. Sie alle wollen – und haben ein Anrecht darauf – unparteilich, objektiv, ausgewogen und meinungsvielfältig informiert zu werden. Dazu müssen wir Journalisten bezahlen und ihnen die Möglichkeit geben, frei von politischem oder wirtschaftlichem Druck, die Wahrheit zu berichten. Die ganze Wahrheit und nicht als die Wahrheit. Wenn wir dieses Ziel nicht erreichen, wird diese Gesellschaft nicht in eine Katastrophe schlittern, sie wird sie sich selbst zuzuschreiben haben.

Link zum Originaltext bei ' Propagandaschau ' ..hier

 
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