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15.07.2015 03:30
Insider-Enthüllung aus dem Herzen der Euro-Gruppe –
Yanis Varoufakis: „Unser Parlament wurde wie Müll behandelt.“
Der vor kurzem zurückgetretene ehemalige Finanzminister
Griechenlands und renommierte Wirtschaftswissenschaftler Yanis Varoufakis hat
der britischen Wochenzeitung New Statesman ein bemerkenswertes Interview mit dem
Titel “Unsere Schlacht, Griechenland zu retten” gegeben. Varoufakis gibt nicht
nur einzigartige Einblicke hinter die Kulissen des Euro-Kartells, die mangelnde
Beachtung seiner Worte in deutschen Medien beweist auch aufs Neue deren
strukturelles Versagen. [Quelle: RT Deutsch] JWD
Von RT Deutsch-Redakteur
Florian Hauschild
Screenshot | Quelle: RT Deutsch
(verlinkt)
Was Yanis Varoufakis nach seinem Rücktritt, aber noch vor den Brüsseler
Verhandlungen, in einem Interview preisgab, birgt auf vielerlei Ebenen
Sprengstoff. Varoufakis muss kein Blatt mehr vor den Mund nehmen, kann auf eine
Karriere als exzellenter Wissenschaftler zurückblicken und wird in diesem Feld,
nach seinem Abgang als griechischer Finanzminister, leicht wieder Anschluss
finden.
Varoufakis gehört damit zu den wenigen Menschen, denen es möglich ist ab und an
einmal den Schleier, der über politischen Machtstrukturen liegt, zu lüften und
einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren. Bis vor kurzem war der Grieche noch
selbst kritischer Teil des Systems, gleichsam hat er heute keine direkten
Sanktionen mehr aus diesem zu befürchten.
So redet sich Varoufakis in einem
Gespräch mit der britischen Wochenzeitung New Statesman, das in deutscher Übersetzung bei
Neues Deutschland und auf dem Blog
The Vineyard Saker erschien, von der Seele, was er in den vergangenen sechs
Monaten in seinem Amt erlebt hat.
Die Vorstellung, in der EU oder im
Euroland könnte es irgendwie demokratisch zugehen, zerschlägt Varoufakis gleich
zu Beginn.
Durch die Einblicke in das System, von Angesicht zu Angesicht mit den
Mächtigsten der Welt, seien die schlimmsten Befürchtungen des Griechen sogar
noch übertroffen worden. Den angeblichen Verteidigern der europäischen
Demokratie in Brüssel bescheinigt Varoufakis das „völlige Fehlen demokratischer
Skrupel“ zugunsten kalter Machtpolitik: „Das vollständige Fehlen demokratischer Skrupel unter den angeblichen
Verteidigern der europäischen Demokratie. Das ziemlich deutliche Verständnis auf
der anderen Seite, dass wir analytisch übereinstimmen – aber das
selbstverständlich niemals etwas herauskommen wird. [Und dann] schauen dir sehr
mächtige Personen in die Augen und sagen: »Sie haben recht mit dem, was Sie
sagen, aber wir werden Sie trotzdem zerquetschen.“ Und weiter:„Es ist nicht so, dass es nicht gut aufgenommen worden wäre – es ist eher so,
dass es eine vollständige Verweigerung gab, sich auf ökonomische Argumentationen
einzulassen. Unverblümt. Sie stellen ein Argument vor, an dem Sie wirklich
analytisch gearbeitet haben – um sicher zu gehen, dass es logisch kohärent ist –
und dann schauen Sie lediglich in leere Gesichter. Sie hätten genau so gut die
schwedische Nationalhymne singen können – Sie hätten dieselbe Antwort bekommen.
Und für jemanden, der akademische Debatten gewöhnt ist, ist das ist
erschreckend. Da debattiert die andere Seite immer mit. Aber hier gab es gar
keine Beteiligung. Man hat nicht einmal Genervtheit gespürt, es war so, als ob
man einfach nichts gesagt hätte.“
Dazu berichtet Varoufakis detailliert von seinen Erfahrungen mit dem deutschen
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), dessen Rolle in der Euro-Gruppe am
ehesten an einen Paten erinnert. Schäuble gab gleich zu Beginn der Amtsübernahme
der Syriza/Anel-Regierung in Griechenland zu verstehen, es gäbe eigentlich
nichts zu verhandeln. Die Vorgängerregierung habe Verträge unterschrieben und
wenn man diese nicht alternativlos umsetzt, bräuchte man künftig auch keine mehr
schließen. Varoufakis sarkastisches Fazit: Vielleicht sollten verschuldete
Staaten dann einfach keine Wahlen mehr abhalten. Ein nicht ganz ernst gemeinter
Vorschlag, zu dem Schäuble lediglich schwieg.
Auch die Details der „Verhandlungen“, die diese Bezeichnung eigentlich nicht
verdienen, lassen nichts übrig vom Mythos der „Europäischen Gemeinschaft“, die
sich demokratischen Werten verschrieben habe. Was Varoufakis beschreibt, würde
ein Insider aus einem Mafia-Clan nicht wesentlich anders wiedergeben. Die
vorherrschenden Praktiken in der Euro-Gruppe sind: Erpressung, Druck, Finten,
Ablenkung, Diktat und Bestrafung.
Wie in solch autoritären Strukturen üblich, hat Griechenland auch nicht mit der
Solidarität anderer Schuldnerländer zu rechnen. Im Gegenteil: Ein griechischer
Verhandlungserfolg hätte die Regierungen von Griechenlands Leidensgenossen
innenpolitisch unter Druck gesetzt, ähnliches zu erreichen, weswegen diese sich
zu den erbittertsten Gegnern der neuen Regierung in Athen entwickelten. Den
letzten beißen die Hunde:„Von Anfang an machten gerade diese Länder es sehr klar, dass sie die
energischsten Feinde unserer Regierung waren, gleich von Anfang an. Und der
Grund dafür war, dass unser Erfolg ihr schlimmster Alptraum war: hätten wir es
geschafft, für Griechenland einen besseren Deal zu verhandeln, dann hätte das
sie natürlich politisch erledigt, sie müssten ihrem eigenen Volk antworten,
warum sie nicht so verhandelt hätten, wie wir das taten.“ Besonderen Sprengstoff bietet auch Varoufakis‘ Darstellung des inneren
Machtzirkels der Euro-Gruppe. Zum einen sei diese juristisch eigentlich
inexistent und müsse sich so an keinerlei Regeln halten. Zum andere regiere der
deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble diese Gruppe wie eine Art Don:„Also wir haben eine nicht existierende Gruppe, die die größte Macht hat, das
Leben der Europäer zu bestimmen. Sie ist niemand Rechenschaft schuldig, da sie
juristisch nicht existiert; es werden keine Aufzeichnungen erstellt; und sie ist
vertraulich. Also kein Bürger weiß jemals, was dort drin gesagt wird… Das sind
Entscheidungen über Leben und Tod, und kein Mitglied ist irgend jemand eine
Antwort schuldig.“ „Und diese Gruppe wird von der deutschen Haltung beherrscht?“
„Ja, völlig und absolut. Nicht von Haltungen – vom deutschen Finanzminister. Es
ist alles wie ein gut gestimmtes Orchester, und er ist der Dirigent. Alles
passiert gestimmt. Es gibt Momente, in denen das Orchester verstimmt ist, aber
er holt es zusammen und bringt es zurück auf Linie.“ Was dieser Clan von der parlamentarischen Demokratie hält wird im Interview
ebenfalls mehr als deutlich:„[…] in unserem Fall war es sehr klar, dass unser Parlament schlicht wie Müll
behandelt wurde.“ Varoufakis‘ Aussagen sind derart brisant, dass sie eigentlich eine umfassende
und schonungslose Debatte in Europa zum Zustand der Demokratie auslösen müssten,
ein kritisches Hinterfragen, was eigentlich mit „westlichen Werten“ gemeint ist
(Staatsanleihen?) und ob es sich bei der Europäischen Union und dem Euro-System
nicht vielmehr um einen autoritären Herrschaftsapparat handelt, der mit den
Idealen der Aufklärung nur insofern etwas zu tun hat, als dass er die
inhaltsleere Bezugnahme auf diese zur Selbstlegitimation missbraucht.
Was Yanis Varoufakis gegenüber der britischen Zeitung aufdeckt, lenkt den Blick
damit auch auf einen Skandal hinter dem Skandal: Korrumpierte Leitmedien in
Deutschland. Wäre es diesen ernst mit ihrem journalistischen Anspruch, wie diese
angesichts harscher Kritik immer betonen, hätte die Übersetzung von Varoufakis‘
Worten auf jeder Titelseite in diesem Land stehen müssen. Stattdessen werden
auch diese hochbrisanten und seltenen Einblicke in einen amoklaufenden
Machtapparat wieder einmal niedergebügelt, kleingeredet oder gänzlich ignoriert,
[...]
Weiterlesen im Originaltext bei ' RT Deutsch '
..hier
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