06.02.2015 15:00 Der deutsche Kurs ist krachend gescheitert Griechenland-Krise – Wann ist eine Haltung
dogmatisch? Wenn man nicht mehr darüber reden kann. Genau das scheint das
Problem mit der deutschen Haltung gegenüber Griechenland zu sein. Man kann nicht
darüber reden, denn alles andere würde europäische Prinzipien und Verträge
verletzen – sagt jedenfalls Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. [Quelle:
cicero.de] JWD
Merkwürdig nur, dass die meisten EU-Politiker das völlig anders sehen. In
Brüssel behauptet niemand, dass die in Griechenland besonders umstrittene Troika
in den EU-Verträgen verankert sei. In Brüssel hat auch noch niemand ein Prinzip
entdeckt, das es verbieten würde, über Schulden zu reden, oder über eine
Umschuldung.
Im Gegenteil: Sie reden miteinander, die Herren Tsipras, Juncker, Tusk und
Schulz. Am Mittwoch haben sie sich in Brüssel getroffen und in aller
Freundschaft, mit Wangenkuss und Schulterklaps, über die Probleme und Wünsche
Griechenlands diskutiert. Tabus hat es dabei, so weit erkennbar, keine gegeben.
Ganz im Gegenteil.
EU-Kommissionspräsident Juncker hat sich bereits für eine Abschaffung der Troika
ausgesprochen. Parlamentspräsident Schulz stimmt Tsipras zu, dass die neue
Regierung in Athen nun auch einmal die Reichen zur Kasse bitten sollte. Und
Ratspräsident Tusk hat Gespräche über eine Umschuldung zumindest nicht
ausgeschlossen. Geht doch!
All das und noch viel mehr sollte auch in Berlin gehen, wenn der griechische
Finanzminister Varoufakis seinen Amtskollegen Schäuble trifft. Schließlich
liefert Varoufakis eine Steilvorlage: Nie und nimmer wolle Athen sein Konto
überziehen, die Zeiten des Budgetdefizits seien ein für allemal vorbei, sagte er
in einem „Zeit“-Interview.
Das ist voll auf Schäuble-Linie - wie auch viele andere Äußerungen des neuen
griechischen Kollegen. Innerhalb nur einer Woche hat Varoufakis bereits viel
Kreide gefressen; mit seinem Interview ist er auf Schäuble zugegangen. Nun
sollte sich auch der deutsche Kassenwart bewegen und seine dogmatische Haltung
überwinden.
Merkels Reformkurs gescheitert
Denn eins ist doch wohl klar: Der deutsche Kurs in Griechenland ist krachend
gescheitert. Nicht nur Tsipras und die neue Linksregierung fordern einen
Kurswechsel. Auch schon sein Amtsvorgänger Samaras wollte die
Zwangs-Finanzierung durch die Euroretter beenden und die Troika loswerden. Das
hat Samaras sogar monatelang angekündigt. [...]
06.02.2015 [Quelle: RT Deutsch] Das Volk steht hinter dem Politikwechsel von Tsipras und
Syriza
In Athen versammelten sich tausende Menschen, um ihrer Regierung zu zeigen, dass
Sie hinter dem neuen Anti-Austeritätskurs stehen. Nachdem Teile der Regierung,
auch Tsipras, zu Verhandlungen in Europa unterwegs waren, um den harten Sparkurs
gegen Griechenland zu beenden, gab die Europäische Zentralbank (EZB) bekannt,
dass ab dem 11.Februar griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten
für EZB-Kredite genutzt werden könnten und zeigte somit, dass auf die
Forderungen Griechenlands nicht eingegangen wird. [...]
Quelle: RT Deutsch via Youtube | veröffentlicht
06.02.2015
06.02.2015 [Quelle; fassbeck-economocs.de] Yanis Varoufakis, der neue griechische Finanzminister
Einige Leser bitten mich, eine klare Einschätzung zu Yanis Varoufakis, dem neuen
griechischen Finanzminister, als Ökonomen-Kollege zu geben. Manche meinen auch,
es sei angemessen, sich jetzt mit seinen früheren Schriften auseinanderzusetzen.
Da bin ich allerdings ganz anderer Meinung.
Ganz im Sinne
meines Papiers über die „Griechenland-Experten“ werde ich genau
das nicht tun. Ich kenne Herrn Varoufakis recht gut, habe mehrfach mit ihm
ernsthaft diskutiert und er hat mindestens zwei Mal einem Vortrag zugehört, wo
ich meine Sicht der Dinge zur Eurokrise geschildert habe. Er hat mir jedes Mal
versichert, dass er mit mir weitgehend übereinstimmt.
Wer ein solches Amt aus dem Stand, in seinem Fall aus einer akademischen
Karriere heraus, übernimmt, wird zunächst überschüttet mit Informationen und
Zusammenhängen, die man als Akademiker gar nicht kennen kann, ja, die man nicht
einmal ahnt. Ich habe das beim Amtsantritt der Rot-Grünen Koalition 1998 erlebt.
Vieles von dem, was man als Akademiker geglaubt und geschrieben hat, muss erst
einmal den Praxistest überstehen, bevor man sieht, was davon wirklich in der
Politik zu gebrauchen ist. In meinem Fall war das eine ganze Menge, aber ich war
auch in den Jahren davor schon eng in die Politik eingebunden, was bei Yanis
Varoufakis nicht der Fall war.
Wenn ich also anfinge, jetzt – nachdem er ein Amt hat – seine Schriften zu
zerlegen, sähe das vielleicht aus wie ein akademisches Spiel, das keine
politische Bedeutung hat. Aber wenn ich nur die leiseste Kritik äußerte, würde
das in der Politik sofort verwendet werden, um ihm zu schaden. Ich werde ihm
daher Zeit lassen und ihn an seinen Taten messen und ihn genau dann kritisieren,
wenn ich glaube, die Dinge, die wir von außen beurteilen können, gehen in die
falsche Richtung.
Das gilt genauso für den griechischen Premierminister Alexis Tsipras. Auch ihn
kenne ich ganz gut. Er hat mich schon vor zwei Jahren nach Athen eingeladen und
mir mitsamt seiner gesamten ökonomischen Mannschaft einmal fast drei Stunden
zugehört, als ich meine Diagnose zur Eurokrise dargelegt habe. Auch auf der
letzten Euro-Konferenz in Austin, Texas, war er zugegen. Auch da hatte ich die
Gelegenheit, ihm zu sagen, wie eine europäische Strategie, die zur Überwindung
der Krise führen kann, meines Erachtens aussehen müsste. Schließlich ist Costas
Lapavitsas Abgeordneter von SYRIZA und bringt damit unsere gemeinsame Sicht der
Dinge fortwährend in den politischen Prozess in Griechenland ein. [...]
Hinweis: Mehr als 300 Ökonomen haben diesen Aufruf bereits
unterschrieben!!
06.02.2015 [Quelle: NachDenkSeiten / JB] Ökonomenaufruf für Griechenland
Folgt man den deutschen Medien, könnte man glatt glauben, dass die Politik der
Troika von fast allen namhaften europäischen Wirtschaftswissenschaftlern geteilt
wird. Doch dies ist ein Trugschluss und entspricht nicht der Realität. Um zu
zeigen, dass Ökonomie auch kritisch sein kann, haben zahlreiche namhafte
international Ökonomen einen Aufruf verfasst, der sehr lesenswert ist. Sabine
Tober hat diesen
Aufruf für die NachDenkSeiten ins Deutsche übersetzt.
Wir, die Unterzeichner/Innen, appellieren an die Regierungen Europas, an die
Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und den IWF, die
Entscheidung des griechischen Volkes, einen neuen Kurs einzuschlagen, zu
respektieren und guten Glaubens in Verhandlungen mit der neuen Regierung
Griechenlands zur Lösung des griechischen Schuldenproblems einzutreten.
Die griechische Regierung besteht zu Recht auf neuen Konzepten, denn die
bisherigen sind gescheitert. Sie haben nicht zu wirtschaftlichem Aufschwung und
finanzieller Stabilität geführt. Sie haben die griechische Gesellschaft stark
belastet und ihre Institutionen geschwächt. Diese Vorgehensweise ist untauglich
und hat zu keinem Fortschritt geführt, den es zu bewahren gilt. Wir bitten
Griechenlands europäische Partner dringend, diese Tatsache zu akzeptieren.
denn ohne sie wäre diese neue Regierung niemals gewählt worden.
Griechenland braucht sofortige humanitäre Unterstützung, einen höheren
Mindestlohn, neue Arbeitsplätze, Investitionen und Maßnahmen zur
Wiederherstellung und Verbesserung von grundlegenden Dienstleistungen wie
Bildung und Gesundheitspflege. Das Land braucht ein leistungsfähigeres und
progressiveres Steuersystem, das sich weniger auf die Mehrwertsteuer stützt und
effektiver bei der Besteuerung von Einkommen und Vermögen vorgehen kann. Es muss
die Korruption bekämpfen, bestrafen und ausrotten. Die neue Regierung braucht
finanzpolitischen Spielraum, um diese Maßnahmen einführen und ihre Wirksamkeit
unter Beweis stellen zu können, und die ununterbrochene finanzielle
Unterstützung durch die Europäische Zentralbank ist unabdingbar, um den
Finanzsektor zwischenzeitlich stabil zu halten. Wir bitten Griechenlands
europäische Partner und die involvierten Institutionen dringlich, diesen
finanzpolitischen Spielraum und diese Unterstützung bereitzustellen.
Zu Recht strebt die griechische Regierung einen Erlass der ihren europäischen
Partnern geschuldeten Gelder an. Diese Schulden sind unhaltbar und werden
deshalb ohnehin nicht komplett zurückgezahlt werden. Deshalb entsteht durch
einen Schuldenerlass auch kein wirtschaftlicher Schaden, weder für ein anderes
Land noch für dessen Steuerzahler. Ganz im Gegenteil wird ein Neubeginn
Griechenlands dazu beitragen, auch seinen Partnern neue Aktivitäten, Einkünfte
und Gewinne zu verschaffen. Wir bitten die Gläubiger Griechenlands, diese
Gelegenheit wahrzunehmen und ihren eigenen Bevölkerungen diese Fakten klar und
ehrlich darzulegen.
Bei all diesem geht es auch um die Zukunft ganz Europas. Eine Politik des
Drohens und der Angstmache, eine Politik der Fristsetzungen, des Starrsinns und
der Erpressung würde allen Europäern nur zeigen, dass das europäische Projekt
gescheitert ist. Es wäre dann moralisch, politisch und wirtschaftlich
gescheitert. Wir bitten Europas Führungsspitze, jeden Versuch einer Nötigung der
Regierung und des Volkes Griechenlands zurückzuweisen und zu verurteilen.
Ein Erfolg Griechenlands kann Europa allerdings den Weg zu neuem Wohlstand und
Stabilität weisen mit einer neuen Rolle für die Demokratie und einer neuen
Offenheit für Wahlen, die zu konstruktiven Veränderungen führen. Wir stehen
gemeinsam mit Griechenland und Europa, für die Demokratie und für den Wandel.
Wir bitten die Spitzenpolitiker Europas, die griechischen Entscheidungsprozesse,
die das Resultat einer hart erkämpften und entschieden demokratischen Auswahl
sind, zu respektieren, und den Weg einer realistischen Wertung und eines
sinnvollen Verhandelns einzuschlagen. [...]