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31.07.2014 21:45
Professor Ilan Pappé:
Israel hat sich dafür entschieden, ein von den USA
unterstützter "rassistischer Apartheid-Staat" zu sein

Amy Goodman vom unabhängigen US-TV-Magazin DEMOCRACY NOW! hat den israelischen Historiker Prof. Ilan Pappé zum jüngsten israelischen Angriff auf den Gaza-Streifen interviewt. - Darüber, dass die Zahl der im Gaza-Streifen getöteten Palästinenser bereits wieder auf über 1.000 angestiegen ist, haben wir auch mit dem israelischen Professor und Historiker Ilan Pappé in Haifa gesprochen. "Ich denke, Israel hat 2014 die Entscheidung getroffen, dass es lieber ein rassistischer Apartheid-Staat als eine Demokratie sein will," sagt Pappé. [Quelle: luftpost-kl] JWD

"Israel hofft, dass die USA seine Entscheidung unterstützen und es immun gegen mögliche Folgen einer Politik machen werden, die in der unbegrenzten Bekämpfung der Palästinenser besteht."

Pappé, ein Professor für Geschichte und der Direktor des Europäischen Zentrums für Studien über Palästina an der Universität Exeter (in Großbritannien) hat mehrere Bücher geschrieben, zuletzt das Buch "The Idea of Israel: A History of Power and Knowledge" (Die Idee Israel: Eine Geschichte über Macht und Einsicht).

Niederschrift (des Interviews)

Das ist eine schnell erstellte Erstfassung, die sich noch verändern kann.

AMY GOODMAN: Im Rahmen unserer Berichterstattung über Gaza sprechen wir jetzt in Haifa in Israel mit Ilan Pappé, der Professor für Geschichte und Direktor des Europäischen Zentrums für Studien über Palästina an der Universität Exeter in Großbritannien ist. Er hat mehrere Bücher geschrieben, zuletzt das Buch "The Idea of Israel: A History of Power and Knowledge"; er wird DEMOCRACY NOW! jetzt per Videostream aus Haifa zugeschaltet.

Herzlich willkommen bei DEMOCRACY NOW! , Professor Pappé. Bis jetzt sind nach meiner Kenntnis mehr als 1.000 Palästinenser, 45 israelische Soldaten und drei israelische Zivilisten getötet worden. Was können Sie uns zum Stand der Verhandlungen über eine Waffenruhe sagen, und was müsste Ihrer Meinung nach geschehen?

ILAN PAPPÉ: Es ist gut, Amy, dass ich in ihrer Sendung zu Wort komme. Es gibt keinerlei Anzeichen für eine baldige Waffenruhe bei den Bodenkämpfen. Es laufen aber weiterhin zwei konkurrierende Initiativen:

Die ägyptisch-israelische Initiative, mit der die Hamas zur Rückkehr zum vorherigen Zustand und zur Aufgabe sämtlicher Ziel, für die sie kämpft, veranlasst werden soll, und eine ernsthaftere Initiative des US-Außenministers John Kerry, der gemeinsam mit Katar und der Türkei einige der Ursachen für den jüngsten Gewaltausbruch anzugehen versucht.

Bis jetzt hat aber noch keine der beiden Initiativen Wirkung erzielen können, abgesehen von einem im Vergleich mit den vergangen 20 Tagen leichten Rückgang (der Kampftätigkeit).

AMY GOODMAN: Es gab Proteste in Tel Aviv. Wie viele Leute haben sich an diesen Protesten, und an denen, die an diesem Wochenende in Haifa stattfanden, beteiligt? Waren Sie auch beim Protest in Haifa, Professor Pappé?

ILAN PAPPÉ: Ja, Ja, ich war da. In Haifa haben etwa 700 Menschen protestiert. In Tel Aviv waren es 3.000. Ich sollte aber erwähnen, dass die Protestierenden zum größten Teil palästinensische Bürger Israels waren. Die Anzahl der israelischen Juden, die mutig genug sind, um auf der Straße zu demonstrieren, ist viel kleiner, als diese Zahlen vermuten lassen. Und sie wurden von rechten Gegendemonstranten und der Polizei sehr brutal angegangen.

AMY GOODMAN: Was sollten Ihrer Meinung nach die Menschen unbedingt wissen, um diesen Konflikt verstehen zu können?

ILAN PAPPÉ: Ich denke, am wichtigsten sind die historischen Zusammenhänge. Die Berichte der Mainstream-Medien über die Situation in Gaza vermitteln den Eindruck, alles habe mit den unsinnigen Raketenangriffen der Hamas auf Israel begonnen.

Zwei vorausgegangene wichtige Entscheidungen israelischer Regierungen werden einfach unterschlagen. Die jüngste erfolgte erst kurz vorher im Juni 2014, als man beschlossen hat, den politischen Einfluss der Hamas auf die West Bank gewaltsam zu reduzieren und mit allen Mitteln eine internationale Kampagne zu verhindern, mit der die (aus Fatah und Hamas gebildete) palästinensische Einheitsregierung, wegen der vielen Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte der Palästinenser ein Gerichtsverfahren gegen Israel in Gang bringen wollte.

Und der tiefere historische Zusammenhang ist die Tatsache, dass der Gaza-Streifen seit 2005 ein Gefängnis ist, in das die dort lebenden Menschen wie Kriminelle eingesperrt sind; dabei besteht ihr einziges "Verbrechen" darin, dass sie Palästinenser sind und sich in einer geopolitischen Lage befinden, mit der Israel nicht vernünftig umzugehen weiß.

Und immer, wenn die Menschen in Gaza demokratisch jemanden gewählt haben, der versprochen hat, sich gegen diese Ghettoisierung und Belagerung zur Wehr zu setzen, hat Israel sofort mit militärischer Gewalt reagiert. Das ist der größere historische Zusammenhang; man muss den Leuten die verzweifelte Situation der Palästinenser erklären, dann verstehen sie auch, warum die sich daraus befreien wollen. Darüber haben wir uns bereits in einem früheren Interview unterhalten. Das ist der Kern des Problems, das durchaus lösbar ist.

Man kann es lösen, wenn man die Belagerung lockert und den Menschen in Gaza Kontakte zu ihren Brüdern und Schwestern im Westjordanland ermöglicht; man muss ihnen auch erlauben, Verbindungen zur übrigen Welt aufzunehmen und die unhaltbaren, an keinem anderen Ort der Welt herrschenden Verhältnisse ändern, unter denen sie leben müssen.

AMY GOODMAN: Professor Pappé, am Wochenende hat der BBC-Korrespondent Jon Donnison berichtet, die israelische Polizei habe zugegeben, dass die Hamas nicht für den Tod der drei israelischen Jugendlichen verantwortlich sei, die im Juni auf der West Bank ermordet wurden.

Über Twitter hat Donnison verbreitet, Micky Rosenfeld, ein Sprecher der israelischen Polizei, habe ihm mitgeteilt, die Mörder der drei Jugendlichen hätten einer der Hamas nahestehenden Zelle angehört, aber nicht in deren Auftrag gehandelt. Was hat das zu bedeuten?

ILAN PAPPÉ: Das ist sehr wichtig, weil die israelische Polizei das sofort wusste, als sie von der Entführung und Ermordung der drei jungen Siedler erfuhr (s. dazu auch). Damit ist klar, dass Israel nur nach einem Vorwand suchte, um seine Militäreinsätze im Westjordanland und im Gaza-Streifen zu rechtfertigen; der israelischen Regierung ging es nur darum, die Situation vor dem erfolglosen Friedensprozess wieder herzustellen, um ihre Politik nicht ändern zu müssen und die Besiedlung der West Bank fortsetzen zu können (s. dazu auch) [...]

Weiterlesen im übersetzten Originaltext bei ' luftpost-kl.de ' ..hier


Passend zum Thema:

31:07:2014 [Quelle: nds.de / Albrecht Müller]
So sieht Krieg aus
Dies ist der Erlebnisbericht des Journalisten Martin Lejeune, der dieser Tage vor Ort in Gaza ausharrt, um zu berichten, was dort geschieht*:

Nach meinem [Albrecht Müllers] Eindruck aus Gesprächen mit Freunden Israels wächst unter ihnen der Kreis jener, die das Morden nicht mehr verstehen und auch nicht mehr schweigen.

Mit Antisemitismus hat das nichts zu tun. Das sei im Blick auf den Hinweis Nr.4 b von heute angemerkt. Die zunehmende Kritik an Israels Militäreinsatz im Gazastreifen und an der israelischen Politik insgesamt ist keine „Judenhetze“. Die “hemmungslose Judenhetze” in Deutschland, die die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Knobloch, feststellt, kommt von anderen.

Wir werden das Kunststück fertig bringen müssen, den Widerstand gegen die Politik Israels zu stärken und gleichzeitig Widerstand gegen die von Frau Knobloch diagnostizierte Judenhetze und die damit verbundene Gewalt bei uns zu leisten. [...]

Weiterlesen im Originaltext bei ' nachdenkseiten.de ' ..hier


*) Auszug:
    The Days of Oil and Za'atar
    Diary from Gaza Under Attack (by Martin Lejeune)

    Dieser Text handelt von Ereignissen, die ich zwischen Montag 17.00 Uhr und
    Dienstag 05.00 Uhr erlebte.

    Eine Spielzeugpistole schwimmt in einer Blutpfütze. In einer anderen
    Blutlache liegt in paar Sandalen, das einem der acht Kinder gehörte, die
    bis vor wenigen Minuten noch lebten und in dem kleinen Park des Beach
    Refugee Camps vielleicht gerade Fangen spielten oder Fußball. Durch die
    Wasserrinne auf der Straße rinnt Blut. Die Bäume haben keine Blätter mehr.
    Sie liegen auf der Straße, auf den Dächern der zerstörten Autos, in den
    Blutlachen. Das Blut, das die grünen Blätter rot färbt, ist von acht toten
    Kinder und von drei Erwachsene, die am späten Montagnachmittag gegen 17.00
    Uhr Ortszeit bei einer starken Explosion am Eingang des Parks gestorben
    sind. Mindestens weitere 40 Personen wurden zum Teil sehr schwer verletzt.
    Der Ort der Explosion ist ein Ort des Grauens, an Häuserwänden kleben
    Überreste menschlichen Gewebes. Ein Vater rennt mit einer Plastiktüte in
    der Hand zu dem Rettungswagen, in dem seine tote Tochter liegt. Der Vater
    zeigt dem Sanitäter Gehirnmasse seiner Tochter, indem er den Boden der
    Plastiktüte behutsam anhebt. “Nimm das mit für die Bestattung”, sagt er zum
    Sanitäter. Ein anderer Vater trägt seinen toten Sohn zu der Ladefläche
    eines Pritschenwagens. Er wird von Männern begleitet, die den Tekbir
    “Allahu Akbar”, “Gott ist groß”, rufen und dabei Handyfotos von der
    verstümmelten Leiche aufnehmen. Anwohner versuchen eine schreiende Frau,
    die ihre Schwester verloren hat, zu beruhigen. Ein Mann liegt bewusstlos auf
    der Straße. Ein Arzt versucht ihn wiederzubeleben. Szenen eines ganz
    normalen Nachmittags in Gaza Stadt. [...]
Weiterlesen im Originaltext ..hier


08.08.2014 [Quelle: luftpost-kl.de]
Nach Aussagen eines US-Offiziellen hat das Pentagon die israelische Armee auch während der andauernden Beschießung Gazas mit Munition beliefert.
Das Pentagon sorgt dafür,
dass der israelischen Armee die Munition nicht ausgeht

WASHINGTON – Während der Konflikt zwischen Israel und den Hamas-Kämpfern in Gaza andauert, hat das US-Verteidigungsministerium aus einem US-Waffendepot im verbündeten Israel Munition an die israelische Armee geliefert; das haben Offizielle des US- Verteidigungsministeriums am Mittwoch bestätigt.

Der Verkauf von Munition aus einem Waffendepot, das in den 1990er Jahren als Notfall-Reserve für die Streitkräfte beider Staaten (der USA und Israels) angelegt wurde, fand in der vergangenen Woche statt – nach dreiwöchigen Kämpfen zwischen dem israelischen Militär und den Hamas-Kämpfern in Gaza.

Mehr als 1.300 Personen, die meisten davon palästinensische Zivilisten, sollen bereits getötet worden sein, seit Israel als Reaktion auf den andauernden Raketenbeschuss der Hamas seine Luft- und Bodenangriffe auf Gaza startete.

Israel kann im Notfall um die sofortiger Freigabe von Munition aus der War Reserve Stockpile Ammunition-Israel ersuchen und bekommt sie auch, wenn der US-Präsident zustimmt. [...]

Weiterlesen im übersetzten Originaltext bei ' luftpost-kl.de ' (PDF) ..hier

 
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